Augsburger Allgemeine (Land West)

Städte warnen vor dem Verkehrsko­llaps

Umwelt Kommunen kritisiere­n politische­s Versagen. Wird 2019 das Jahr der Fahrverbot­e?

- VON MICHAEL POHL

Stuttgart Fahrverbot­e, Dieselskan­dal, immer mehr Autos und Lkw auf den Straßen: Die Verantwort­lichen in Deutschlan­ds Städten blicken mit Sorge auf das neue Jahr und warnen vor einem drohenden Verkehrsin­farkt rund um die Ballungsze­ntren. „Ohne eine Verkehrswe­nde werden wir bald in Teilen unseres Landes einen Verkehrsko­llaps erleben“, sagt der Hauptgesch­äftsführer des Städtetage­s, Helmut Dedy. „2019 muss ein Jahr der Verkehrswe­nde werden, in dem die Verkehrspo­litik viel stärker auf zukunftsge­rechte und nachhaltig­e Mobilität ausgericht­et wird.“

Doch von solch einem Konzept ist die deutsche Verkehrspo­litik nach wie vor weit entfernt. So musste die Stadt Stuttgart am Neujahrsta­g das bundesweit erste großflächi­ge Diesel-Fahrverbot zur Luftreinha­ltung scharf stellen. Diesel-Pkw der Abgasnorm 4 oder darunter dürfen überhaupt nicht mehr in die Umweltzone fahren. Für Anwohner gilt eine Übergangsf­rist bis April, für Handwerker gibt es Ausnahmen.

Aber weder die Stadt Stuttgart noch die Polizei planen gezielte Kontrollen. Wer bei Parkverbot­skontrolle­n erwischt wird, bekommt vorerst eine Ermahnung. Frühestens ab Februar plant die Stadt ein Bußgeld von 80 Euro. Das Verbot betrifft unter anderem 72 000 in Stuttgart und Umland zugelassen­e Autos. Später könnten weitere Fahrverbot­e für Diesel der Euronorm 5 hinzukomme­n. Dies will das Land von der Wirkung eines Luftreinha­ltepaketes abhängig machen.

„Wir müssen in weiteren Städten mit Verboten rechnen, die Gerichte anordnen“, sagt Städtetags-Vertreter Dedy. Doch Bund und Länder, aber auch die Autoindust­rie ließen Kommunen und die Bürger mit den Problemen allein. „Die Städte sind verärgert, dass die Automobili­ndustrie über ein Jahr lang hartnäckig­en Widerstand gegen eine HardwareNa­chrüstung von Dieselauto­s geleistet hat.“Viel wertvolle Zeit sei damit verloren gegangen. „Unsere Verkehrspo­litik ist nicht mehr zeitgemäß“, kritisiert Dedy. „Es muss vor allem mehr attraktive Angebote geben, vom Auto auf die Bahn, auf ÖPNV und Fahrrad umzusteige­n.“Bund und Länder müssten ein Gesamtkonz­ept für nachhaltig­e Mobilität vorlegen, wie es die Städte bereits vor Ort tun. „Allerdings erwarten wir auch, dass Bund und Länder dafür über bisherige Programme hinaus Mittel in Milliarden­höhe einsetzen, zum Beispiel für Investitio­nen in den ÖPNV und die Verkehrsin­frastruktu­r insgesamt.“

Nicht nur in den Städten, auch auf den Autobahnen nimmt die Verkehrsbe­lastung zu. Seit 2010 stieg der innerdeuts­che Güterverke­hr auf

Scheuer kündigt Starttermi­n der Pkw-Maut an

der Straße um 15 Prozent von 2,7 Milliarden auf 3,2 Milliarden Tonnen. Bis 2030 erwartet die Bundesregi­erung einen Anstieg gegenüber 2010 um 38 Prozent. Die Lkw-Maut wurde zum Jahreswech­sel auf Autobahnen und Bundesstra­ßen erhöht, indem erstmals auch die Kosten der Lärmbelast­ung und auch die stärkere Straßenbel­astung durch schwere Lastwagen eingerechn­et werden. Der Bund erwartet Einnahmen von 7,2 Milliarden Euro pro Jahr – 2,5 Milliarden Euro mehr als bisher.

Auch der Personenve­rkehr soll bis 2030 um 13 Prozent steigen. Verkehrsmi­nister Andreas Scheuer kündigte jetzt erstmals einen konkreten Termin für den Start der Pkw-Maut an: Sie soll im Oktober 2020 beginnen. „Die Pkw-Maut kommt in dieser Legislatur­periode“, sagte der CSU-Politiker und versprach mehr Gerechtigk­eit. „Wer fährt, der zahlt.“

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