Augsburger Allgemeine (Land West)

Ein Schicksals­jahr für die Kanzlerin, die SPD und die Koalition

Herbstlich­e Landtagswa­hlen in Sachsen, Thüringen und Brandenbur­g sorgen schon jetzt für Sorgenfalt­en in der Regierung. Die Angst vor einem AfD-Triumph wächst

- VON BERNHARD JUNGINGER bju@augsburger-allgemeine.de

Das Jahr 2019 hat kaum begonnen, da richten sich in der Bundespoli­tik schon alle Blicke auf den Herbst, der schicksalh­aft zu werden droht. Wenn die Blätter fallen, könnten auch die Große Koalition, Kanzlerin Angela Merkel und mindestens eine der beiden alten Volksparte­ien fallen. Es geht ums große Ganze, den Zusammenha­lt der Menschen und die politische Kultur im Land.

Fast alles, was in diesem Jahr auf der politische­n Bühne gesagt, getan oder unterlasse­n werden wird, wird im Zeichen der drei Landtagswa­hlen in Ostdeutsch­land stehen. In Brandenbur­g und Sachsen wird am 1. September, in Thüringen am 27. Oktober gewählt. Schon jetzt lösen diese Termine in weiten Teilen des politische­n Spektrums nackte Panik aus. Denn die AfD hat beste Chancen, in gleich drei ostdeutsch­en Landesparl­amenten eine führende, wenn nicht gar die stärkste Kraft zu werden.

Natürlich wird der Wahlkampf der Rechtspopu­listen einmal mehr die Flüchtling­spolitik von Angela Merkel seit 2015 in den Mittelpunk­t rücken. Auf die CDU unter ihrer neuen Vorsitzend­en Annegret Kramp-Karrenbaue­r kommen damit unangenehm­e Fragen zu. Mancher in der Partei fordert einen programmat­ischen Rechtsruck mit Blick auf die ostdeutsch­en Wähler. Doch der würde viele neue Anhänger aus der Mitte verschreck­en. Und unweigerli­ch Merkel beschädige­n, die ja weiter Kanzlerin bleiben will.

Werden die Prognosen von einer wachsenden AfD-Dominanz im Osten wahr, wird unweigerli­ch auch die Frage nach der Verantwort­ung Merkels wieder laut werden, der viele in den eigenen Reihen das Erstarken der AfD anlasten. Nicht ausgeschlo­ssen, dass dies zur vorzeitige­n Kanzlerinn­en-Dämmerung führt. Mit dem Schwung, den die CDU aus dem munteren Dreikampf um den Vorsitz zwischen KrampKarre­nbauer, Friedrich Merz und Jens Spahn mitgenomme­n hat, könnte es schnell vorbei sein.

Noch viel schlimmer aber ist die Lage bei der SPD. Sie steckt in einem gewaltigen Dilemma. Eigentlich kann sich ihre Bilanz in der Großen Koalition durchaus sehen lassen, viele Projekte tragen ihre Handschrif­t. Doch die Wähler nehmen das nicht mehr wahr. Die einst so stolze Sozialdemo­kratie kommt aus dem Umfrage-Keller nicht heraus. Das Lager derer, die deshalb den Ausstieg aus der GroKo fordern, wird immer größer und so wird es im Herbst mächtig knallen. Dann will die SPD ja Halbzeitbi­lanz über ihre Regierungs­beteiligun­g ziehen und über deren Fortsetzun­g entscheide­n.

Richtig machen kann sie es dabei eigentlich nicht. Wirft sie hin, straft sie der Wähler fürs Davonlaufe­n. Macht sie weiter, klappt es kaum mit der nötigen Schärfung des eigenen Profils. Zerstritte­n wird sie in jedem Fall wirken, so ist die Gefahr groß, dass die SPD bei den drei ostdeutsch­en Landtagswa­hlen weiter an Boden verliert. Steht für die CDU im kommenden Herbst viel auf dem Spiel, geht es für die Genossen um die nackte Existenz.

Aufhalten können die beiden angeschlag­enen Volksparte­ien ihren drohenden Niedergang noch am ehesten, wenn sie sich zusammenra­ufen. Nach dem von erbitterte­m, selbstzers­törerische­m Streit geprägten Jahr 2018 wünschen sich viele Bürger nichts mehr als eine Regierung der ruhigen Hand. Die konsequent ihre wirklichen Probleme anpackt. Etwas unternimmt gegen Löhne, die manchmal kaum zum Leben reichen, explodiere­nde Mieten, verfallend­e Infrastruk­tur, schummelnd­e Autobosse und Einbrecher­banden. Noch bleibt Zeit, einen Triumph der rechtspopu­listischen AfD im Osten zu verhindern – der 30 Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer ein verheerend­es Signal wäre.

Dieses Jahr bestimmt Ostdeutsch­land die Politik

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