Augsburger Allgemeine (Land West)

Was die Österreich­er über deutsche Politik denken

Umfrage In der Alpenrepub­lik sieht man das Nachbarlan­d im Norden keinesfall­s als Vorbild

- VON MARIELE SCHULZE BERNDT

Wien Konservati­ve Deutsche beneiden Österreich gerne um seinen Bundeskanz­ler Sebastian Kurz. Manche tun dies wegen dessen Jugend und Ausstrahlu­ng – nicht wenige aber auch wegen seiner restriktiv­en Flüchtling­spolitik. Österreich­er empfehlen den Deutschen aber etwas anderes. Nur 39 Prozent sind der Meinung, dass Deutschlan­d einen Politiker wie Sebastian Kurz an der Spitze brauche, ergab nun eine Umfrage. 49 Prozent hingegen sind froh, dass Angela Merkel bis 2021 Kanzlerin bleiben will. Das zeigt die Erhebung, die das Linzer MarketInst­itut im Auftrag der Zeitung Standard im November und Dezember durchgefüh­rt hat.

Befragt wurden 1297 in Österreich wahlberech­tigte Personen, die die politische Entwicklun­g in Deutschlan­d verfolgen und beurteilen. 30 Prozent der Österreich­er beobachten die Politik in Deutschlan­d regelmäßig, weitere 50 Prozent interessie­ren sich gelegentli­ch für deutsche Politik. 53 Prozent sagen auch, dass die deutsche Politik „wesentlich­en Einfluss darauf hat, wie es uns in Österreich geht“. Nach dieser Umfrage verliert Deutschlan­d für Österreich allerdings an Bedeutung. „Uns ist aufgefalle­n, dass sich jüngere Befragte deutlich weniger für Deutschlan­d interessie­ren als der Bevölkerun­gsschnitt“, erklärte Market-Institutsl­eiter David Pfarrhofer dem Standard.

Ein großer Teil der Befragten sieht die Nachbarn keineswegs als Vorbild. Im Gegenteil. 40 Prozent sind der Meinung, Österreich solle sich weniger an Deutschlan­d als an anderen Nachbarlän­dern orientiere­n. Welche Staaten gemeint sind, wurde nicht gefragt. Doch es liegt nahe, dass es sich um Ungarn, Tschechien und die Slowakei handeln könnte. Sie wachsen wirtschaft­lich und spielen mit im Konzert gegen eine offene Migrations­politik.

Unsere Nachbarn äußern sich entschiede­n zur deutschen Innenpolit­ik. Den Rücktritt von Horst Seehofer beurteilen 54 Prozent der Befragten positiv, nur achtzehn Prozent negativ. Dies ist wohl vor dem Hintergrun­d zu sehen, dass Angela Merkel in Österreich immer noch sehr große Sympathie genießt. 49 Prozent glauben, dass Deutschlan­d ohne Angela Merkel in der Welt an Einfluss verlieren wird. Allerdings sind auch 43 Prozent der Ansicht, dass es für die CDU eine gute Entscheidu­ng war, dass sie nicht erneut für den CDU-Vorsitz kandidiert hat. Deutschlan­ds Rolle in der EU wird auf zweifache Weise beleuchtet. 71 Prozent nehmen eine europapoli­tische Dominanz Deutschlan­ds wahr. Kritisch sehen 40 Prozent der Befragten, dass sich Deutschlan­d „zu stark mit EU-Themen“befasse. Die Flüchtling­spolitik und der Umgang mit dem Diesel-Skandal werden von 66 bzw. 58 Prozent negativ beurteilt. Die Frage, ob es Österreich besser gehen würde, wenn es „Teil Deutschlan­ds wäre und von Berlin aus regiert würde“, stößt bei 90 Prozent der Befragten auf Ablehnung. Lediglich drei Prozent würden solch ein Szenario begrüßen.

Von den österreich­ischen Befragten schätzen nur 16 Prozent die deutsche Flüchtling­spolitik positiv ein. Besonders kritisch bewerten erklärte FPÖ-Wähler die deutsche Flüchtling­spolitik, da kommt von 86 Prozent klare Ablehnung. Pfarrhofer sagt dazu: „Die Fragen rund um das Migrations­thema haben die politische Berichters­tattung besonders geprägt – und damit nicht nur die österreich­ische Politik, die davon überschatt­et wird, sondern auch das Bild von Deutschlan­d. Und die Daten zeigen, dass Deutschlan­d unter anderem deshalb nicht als Vorbild für Österreich gesehen wird.“

Das ganz spezielle deutsch-österreich­ische Verhältnis spiegelt sich auch in vielen Witzen, dem berühmten Wiener Schmäh. Ein Beispiel: „Was ist der Unterschie­d zwischen Österreich und Deutschlan­d? Deutschlan­d hat nette Nachbarn.“

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Foto: Hans Punz, dpa Die restriktiv­e Migrations­politik, die Kanzler Kurz (links) und sein Vize Strache vertreten, gefällt vielen Österreich­ern besser als der Merkel-Kurs.

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