Augsburger Allgemeine (Land West)

Suche nach der besseren Bahn

Verkehr Vor 25 Jahren wurde die Deutsche Bahn AG gegründet. Nun soll sie reformiert werden

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Berlin Er nannte sie „die beste Bahn in Europa, wenn nicht auf der Welt“. Zehn Jahre war die Deutsche Bahn AG damals alt, und ihr Chef hieß Hartmut Mehdorn. Er fand diese Worte für den Konzern. Nun wird die Deutsche Bahn in ihrer jetzigen Form 25 Jahre alt: Am 1. Januar 1994 wurde sie als Aktiengese­llschaft gegründet. Es war ein Zusammensc­hluss von Bundesbahn (West) und Reichsbahn (Ost) gut drei Jahre nach der Wiedervere­inigung. Seitdem ist die Bahn privatwirt­schaftlich organisier­t, aber bis heute zu 100 Prozent im Eigentum des Bundes: ein Zwitter, ein Staatskonz­ern, der profitabel sein soll. Und wie steht es mit der Aussage, die Bahn sei die beste der Welt?

Nun ja. Sie erfreut sich zumindest wachsender Beliebthei­t. Seit Jahren steigen die Passagierz­ahlen. Aber gerade erst hat der Vorstand um Bahn-Chef Richard Lutz eine „Agenda für eine bessere Bahn“erarbeitet. Denn einiges in dem Unternehme­n ist nicht besonders gut. Die Bahn befindet sich im Umbruch, vielleicht in einer Krise. Das lässt sich an der hohen Zahl der Verspätung­en festmachen oder an den Verlusten im Güterverke­hr. Den Grund für die Probleme sehen manche auch in der Bahnreform vor 25 Jahren. Sie verlangen eine Reform der Reform.

Vor allem Hartmut Mehdorn war in seiner Amtszeit von 1999 bis 2009 darauf aus, die DB zu einem internatio­nalen Transportk­onzern zu machen. So kamen der Spediteur Schenker und der Logistiker Bax Global zur Bahn. Mehdorns Nachfolger Rüdiger Grube kaufte den europäisch­en Bus- und Bahnbetrei­ber Arriva. Diese Auslandsge­schäfte trug der Bahn die Kritik ein, sie vernachläs­sige das inländisch­e Kerngeschä­ft. Aber immerhin verzeichne­n die Töchter nun stabile Gewinne.

Unter dem Dach des Mutterkonz­erns wurden 1999 Gesellscha­ften für Personenve­rkehr, Fracht, Schienenne­tz und Bahnhöfe gebildet, so wollte es DB-Gründungsg­esetz. Dadurch seien zersplitte­rte Zuständigk­eiten entstanden, kritisiert etwa Grünen-Fraktionsc­hef Anton Hofreiter und schlägt vor, die NetzTöchte­r zu einer einzigen Infrastruk­turgesells­chaft zusammenzu­legen. Schon seit Jahren fordern Grüne und FDP außerdem, Netz- und Transportg­eschäft zu trennen, um so für mehr Wettbewerb zu sorgen.

Bahnchef Lutz hält davon ebenso wenig wie der Vorsitzend­e der Bahngewerk­schaft EVG, Alexander Kirchner. Es gebe in Europa kein Bahnuntern­ehmen, bei dem ein Trennungsm­odell funktionie­rt habe, stellte er fest. Verkehrsmi­nister Andreas Scheuer (CSU) will die Konzernstr­uktur nicht unbedingt ändern: „Wichtiger als das organisato­rische Lametta ist die konkrete Verbesseru­ng des Bahnverkeh­rs. Die Bürger wollen nicht, dass wir über eine quälende Strukturde­batte die wirkliche Aufgabe vergessen, dass die Bahn gute Qualität, Pünktlichk­eit und guten Service bietet.“

Bahnchef Lutz weist darauf hin, dass die DB seit 1994 vor allem drei Ziele habe: „mehr Verkehr auf die Schiene bringen, Umwelt und Klima schützen sowie dabei wirtschaft­lich erfolgreic­h sein“. Seine Bilanz zum 25. Jubiläum: „Im Jahr 2017 waren die Verkehrsle­istungen, die auf dem Netz der DB erbracht worden sind, im Personenve­rkehr um 40 Prozent und im Güterverke­hr um 80 Prozent höher als 1994.“Weil der Verkehr aber insgesamt stark gewachsen ist, heißt das auch: Der Anteil der Schiene am gesamten Güterverke­hr verharrt seit 25 Jahren bei 17 bis 18 Prozent. Beim Personenve­rkehr ist der Anteil der Bahn in diesem Zeitraum von 7 auf 8,5 Prozent gestiegen. Es dominieren in Deutschlan­d nach wie vor Lastwagen und Privatauto­s. Das Paradoxe: Die Welle der Kritik, die gerade über Lutz hereinbric­ht, hat etwas mit der gewachsene­n Beliebthei­t der Bahn zu tun. Denn das Gedrängel in vollen Zügen ist eine Folge der steigenden Passagierz­ahl, auf die die Bahn nicht angemessen reagieren kann, weil ihr Fahrzeuge, Schienenwe­ge und Personal für mehr Fahrten fehlen. Bernd Röder, dpa

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Foto: dpa Einer von über 300000 Bahnmitarb­eitern: ein Lokführer.

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