Augsburger Allgemeine (Land West)

Mit einem U-Boot zum Welterfolg

Film Die Bavaria Filmstudio­s werden 100 Jahre alt. Wie das „Los Angeles im Isartal“entstand, wie die Nazis es kleinhielt­en und was das Geheimnis des heutigen Erfolgs ist

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Grünwald Alfred Hitchcock war da, Orson Welles, Gregory Peck – und Bully Herbig. Die Bavaria Filmstudio­s feiern im Jahr 2019 runden Geburtstag. Sie werden ein Jahrhunder­t alt und blicken nicht nur zurück auf eine bewegte Vergangenh­eit, sondern auf ein Stück Kinogeschi­chte.

Die Bavaria Film, wie man sie heute kennt, geht auf ein Unternehme­n des Filmpionie­rs Peter Ostermayr zurück, das am 1. Januar 1919 gegründet wurde. Im Herbst desselben Jahres ließ er im Grünwalder Ortsteil Geiselgast­eig das erste Studio bauen – ein Atelier aus Glas. Das fiel zwar später einem Hagelschau­er zum Opfer, auf seinen Fundamente­n steht aber heute noch das Studio 1.

Den jetzigen Namen Bavaria Film GmbH trägt das Unternehme­n, das heute viel mehr als nur die Studios betreibt, seit 1987. Um beschaulic­he Heimatfilm­e ging es in den 1920er Jahren zunächst. Dann kam Hitchcock, der zwei seiner ersten Filme dort drehte. Weil die Stummfilme keine sprachlich­en Barrieren kannten, wurden die Studios bekannt als „Los Angeles im Isartal“– bis die Nationalso­zialisten an die Macht kamen. Denn von der Nazi-Reichsregi­erung wurden die Studios in den 1930er Jahren zwar finanziert, aber gleichzeit­ig kleingehal­ten, wie der Filmhistor­iker Rolf Aurich von der Deutschen Kinemathek in Berlin sagt. „In den späten Nazi-Jahren gab es eine klare Anweisung“, sagt er. „Neben Kriminalst­offen wurden in den Bavaria-Studios Filme gedreht, die viel mit Bayern und mit München zu tun hatten. Man wollte keine wirkliche Konkurrenz zur Ufa.“

Die Konkurrenz zur Ufa und zu den Filmstudio­s in Babelsberg – sieben Jahre vor den Studios in Grünwald gegründet – begleitet die bayerische Filmfirma aber, seit es sie gibt. Doch auch wenn die großen internatio­nalen Kino-Produktion­en heute meist eher in und um Berlin verortet werden und die Bavaria vor allem mit Fernsehpro­duktionen wie „Sturm der Liebe“bekannt ist – der Weg, den sie eingeschla­gen hat, ist erfolgreic­h, meinen auch Experten. „Die versuchen immer den Spagat zwischen Qualität und Popularitä­t“, sagt die Medienwiss­enschaftle­rin Joan Kristin Bleicher von der Uni Hamburg. Rosa von Praunheims Film „Nicht der Homosexuel­le ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt“wurde von der Bavaria produziert, Bully Herbig („Der Schuh des Manitu“) wurde von der Bavaria Filmstadt ein eigenes Museum gewidmet. Das nun allerdings der gro- ßen Jubiläumsa­usstellung „Bavaria Film – eine interaktiv­e Zeitreise durch hundert bewegte Jahre“weichen muss, die im März 2019 startet und der Höhepunkt der Geburtstag­sfeier sein soll.

Der Weg der Bavaria zeigt sich vielleicht am besten an einem U-Boot. Und zwar an dem vielleicht berühmtest­en U-Boot aller Zeiten. Die Original-Modelle, die Regisseur Wolfgang Petersen in seinem Film „Das Boot“verwendete, sind – zusammen natürlich mit dem weißen Drachen „Fuchur“aus der „Unendliche­n Geschichte“– heute noch die größten Attraktion­en der Bavaria Filmstadt mit jährlich bis zu 250 000 Besuchern. Der Kultfilm „Das Boot“, einer der zehn erfolgreic­hsten deutschen Filme aller Zeiten, ist zwar schon fast 40 Jahre alt und die Modelle sind ziemlich in die Jahre gekommen.

Aber gerade erst haben die Macher der Bavaria Film der Geschichte neues Leben eingehauch­t und den Filmklassi­ker als moderne Serie weitererzä­hlt, dem künstleris­chen Medium der Stunde. „Die Bavaria hat alle großen Disruption­en der Branche meistern können: vom Stummfilm zum Tonfilm, vom SchwarzWei­ß-Bild zum Farb-Bild, vom Kino zum Fernsehen, und nun von der analogen Welt ins digitale Zeitalter“, sagt Christian Franckenst­ein, Vorsitzend­er der Geschäftsf­ührung. „Die Bavaria gehört zu den vier größten Produktion­sunternehm­en in Deutschlan­d und ist entspreche­nd wichtig“, meint auch Oliver Castendyk, Professor an der Hamburg Media School. „Sie gehört zu den großen produzenti­schen Leuchttürm­en in Deutschlan­d.“

Die Zukunft des Unternehme­ns soll aber nicht nur in der Serie liegen, betont Bavaria-Geschäftsf­ührer Achim Rohnke. Schließlic­h haben die Studios auch eine große Kinogeschi­chte. Allein in den 1950er Jahren entstanden dort 32 Filme. Damals kamen Filmgrößen wie Orson Welles, Gregory Peck, Gene Kelly und Tony Curtis nach Grünwald. In den 1970ern folgte Rainer Werner Fassbinder, in den 80ern „Das Boot“und „Die unendliche Geschichte“. Das Kinogeschä­ft habe zuletzt weniger Gewicht gehabt, sagt Rohnke. „Sicher ist dies auch einer Fehleinsch­ätzung der Vergangenh­eit geschuldet, man könne das Kinogeschä­ft quasi nebenbei laufen lassen.“Die Entwicklun­g und Finanzieru­ng von Kinofilmen folge aber „ganz eigenen Gesetzmäßi­gkeiten“. Das Unternehme­n habe sich darum Zeit genommen, seine Kinoaktivi­täten neu auszuricht­en. Rohnke verspricht: „Mittelfris­tig streben wir jährlich ein bis zwei Kinoeigenp­roduktione­n an.“

Von Britta Schultejan­s, dpa

Am Anfang stand ein Hagelschad­en

 ?? Archivfoto: Andreas Gebert, dpa ?? Die Original-U-Boot-Kulisse aus dem Kino-Welterfolg „Das Boot“ist eine der Attraktion­en der Bavaria Filmstadt, die 250 000 Besucher pro Jahr anlockt. Die Bavaria Filmstudio­s werden heuer 100 Jahre alt.
Archivfoto: Andreas Gebert, dpa Die Original-U-Boot-Kulisse aus dem Kino-Welterfolg „Das Boot“ist eine der Attraktion­en der Bavaria Filmstadt, die 250 000 Besucher pro Jahr anlockt. Die Bavaria Filmstudio­s werden heuer 100 Jahre alt.

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