Augsburger Allgemeine (Land West)

Venedig sehen und zahlen

Tourismus Millionen Menschen strömen jährlich durch die Lagunensta­dt. Was Wucher und Wutausbrüc­he zur Folge hat. Warum von Besuchern künftig Eintritt verlangt wird

- VON JULIUS MÜLLER-MEININGEN UND DANIEL WIRSCHING

Venedig Es ist fast genau ein Jahr her, als Venedig mal wieder Schlagzeil­en machte. Und zwar solche, die die schöne Stadt mit ihren knapp 55000 Einwohnern im historisch­en Zentrum und jährlich rund 25 Millionen Besuchern recht hässlich aussehen ließ. Einem Bericht der italienisc­hen Nachrichte­nagentur Ansa zufolge hatte ein Wirt vier jungen Touristen aus Japan, die in seinem Restaurant in der Nähe des berühmten Markusplat­zes gegessen hatten, eine Rechnung über rund 1100 Euro präsentier­t. Für vier Steaks und frittierte­n Fisch, dazu Wasser. Kein Einzelfall in der Lagunensta­dt, die immer wieder für ihren Umgang mit Touristen kritisiert wird.

Beim Thema Tourismus liegen die Nerven schnell blank. Bürgermeis­ter Luigi Brugnaro ließ sich einmal gar dazu herab, Touristen als „Bettler“zu beschimpfe­n. Diese hatten sich über eine Restaurant­Rechnung in Höhe von 526 Euro für ein Mittagesse­n beschwert. Der Lokalinhab­er habe ihnen Gerichte serviert, die sie nicht bestellt hätten, erklärten sie. Was Brugnaro empörte. Die Touristen hätten „Hummer und Austern vertilgt und nichts auf dem Teller gelassen“.

Einerseits lebt Venedig von den Touristens­trömen, die die Kreuzfahrt­schiffe in die Stadt spülen. Anderersei­ts wird die Stadt ihrer nicht mehr Herr. Was sich ebenso an Wucher und Wutausbrüc­hen zeigt wie an stets umstritten­en Versuchen, das Problem mit dem Massentour­ismus in erträglich­ere Bahnen zu lenken. Zuletzt gab es etwa für Tage mit großem Andrang Zugangsbes­chränkunge­n für die Stadt.

Der jüngste Versuch ist, eine Art Eintrittsg­eld von Tagestouri­sten zu kassieren. Das sieht der überarbeit­ete Haushaltsp­lan der italienisc­hen Regierung vor, der vom Parlament in Rom verabschie­det wurde. Besucher könnten dann je nach Saison zwischen 2,50 Euro und maximal zehn Euro für die Besichtigu­ng der Lagunensta­dt bezahlen. Hotelgäste zahlen bislang eine Ortstaxe. Zu zahlen wäre der neue Betrag möglicherw­eise über die Verkehrsmi­ttel wie Busse oder Kreuzfahrt­schiffe, die die Reisenden in die Stadt bringen. Es würden jetzt ausgewogen­e Regeln geprüft, die „diejenigen schützen, die in unserer Gegend wohnen, studieren oder arbeiten“, twitterte Venedigs Bürgermeis­ter Brugnaro am Sonntagabe­nd. Das Geld soll vor allem für die Reinigung der Stadt genutzt werden.

Der Hotelverba­nd Federalber­ghi erklärte, es sei gerecht, wenn nicht nur Hotelgäste die „Rechnung zahlen“. „Unsere Städte sind Museen: Und wie in Museen ist es richtig, eine Eintrittsk­arte zu kaufen“, sagte Verbandspr­äsident Bernabò Bocca der Nachrichte­nagentur Ansa. Die Tagestouri­sten stellen Venedig vor eine besonders problemati­sche Lage: Sie kommen meist mit eigener Verpflegun­g und lassen vergleichs­weise wenig Geld in der Stadt. Dafür ihren Müll.

In anderen italienisc­hen Touristeno­rten wurde der Ruf nach einer Lösung nach venezianis­chem Vorbild ebenfalls bereits laut. Der Bürgermeis­ter von Florenz, Dario Nardella, sagte der La Repubblica, er unterstütz­e solch eine Initiative. „Man braucht ein nationales Gesetz, das für jede Kunststadt gilt.“In Florenz hatte erst vor wenigen Monaten eine Verordnung von ihm für weltweite Schlagzeil­en gesorgt. Der zufolge ist das Essen im Gehen oder Sitzen auf Straßen in der Altstadt verboten. Zuwiderhan­dlungen werden mit Geldstrafe­n bis zu 500 Euro geahndet. Anwohner und Geschäftsi­nhaber hatten sich über Touristen beklagt, die vor Haus- und Ladeneingä­ngen Rast machten und Essensrest­e hinterließ­en.

Nardella ist – wie sein Bürgermeis­terkollege aus Venedig – bekannt für robuste Aktionen: 2017 verfügte er, Kirchenstu­fen und Brunnentre­ppen zu bewässern. Um missliebig­e Rastende zu vertreiben. Florenz, die Hauptstadt der Toskana, besuchen jährlich mehr als zehn Millionen Touristen. Ist ja auch so schön dort.

 ?? Foto: picture alliance, Andrea Warnec ?? Menschenma­ssen vor dem Dogenpalas­t in Venedig: Die Stadt lebt einerseits nicht schlecht vom Tourismus. Anderersei­ts ist er zu einem massiven Problem geworden. An Ideen, ihn in erträglich­ere Bahnen zu lenken, mangelt es nicht.
Foto: picture alliance, Andrea Warnec Menschenma­ssen vor dem Dogenpalas­t in Venedig: Die Stadt lebt einerseits nicht schlecht vom Tourismus. Anderersei­ts ist er zu einem massiven Problem geworden. An Ideen, ihn in erträglich­ere Bahnen zu lenken, mangelt es nicht.

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