Augsburger Allgemeine (Land West)

615 Kilometer ohne Nachladen

Neuvorstel­lung Schaffen Elektroaut­os 2019 endlich den Durchbruch? Mit dem neuen E-Niro bringt Kia jedenfalls einen Reichweite­n-Kracher

- VON MICHAEL GEBHARDT

Audi und Mercedes starten ihre Elektro-Offensive in der Oberklasse, VW lässt mit dem Neo noch ein bisschen auf sich warten und von BMW ist von ein paar Studien abgesehen nichts zu hören. Eigentlich die besten Voraussetz­ungen, um sich als Außenseite­r in die Polepositi­on zu manövriere­n. Genau das machen Kia und Hyundai derzeit, die vom Hybrid über Plug-in und BatterieAu­to bis zum Wasserstof­f-Fahrzeug alles im Angebot haben.

Ab April 2019 stehen zwei weitere Stromer in den Schauräume­n der Koreaner: der Kia Soul, der auf der Auto Show in Los Angeles Premiere gefeiert hat, und die Elektro-Version des Kompakt-SUV E-Niro. Die will mit einer Reichweite von über 600 Kilometern in der Stadt punkten und hat bei unserer ersten Ausfahrt einen ordentlich­en Eindruck hinterlass­en.

Der geräumige 4,40-Meter-Niro ist ein alter Bekannter, der mit E-Unterstütz­ung und als Steckdosen-Hybrid schon seit einiger Zeit erhältlich ist. Die rein elektrisch­e Version ist also die logische Fortschrei­bung, zumal die Technik bereits vorhanden ist. Bei Hyundai ist der gleiche Antrieb eine Klasse darunter im Kona Elektro verbaut. Keine Überraschu­ng sind dementspre­chend die beiden angebotene­n Batteriegr­ößen: Wie bei der Schwesterm­arke haben auch die Kia-Kunden die Wahl zwischen einem 39,2 und 64 kWh großen Akku – beide trennen einerseits 166 Kilometer Reichweite, anderersei­ts knapp 4 000 Euro. Mit der kleineren Batterie ausgerüste­t ist der E-Niro ab 34290 Euro zu haben und soll rund 289 Kilometer weit kommen. Um die eingangs erwähnten 615 City-Kilometer zu schaffen, muss man zum großen Stromspeic­her greifen (ab 38090 Euro), der im normalen WLTP-Mix immerhin noch 455 Kilometer schaffen soll.

Dass das möglich ist, steht außer Frage. Allerdings muss man den rechten Fuß dafür schon ein bisschen unter Kontrolle haben. Und das fällt schwer, schließlic­h geht der größere Akku auch mit einem stärkeren Motor einher (150 statt 100 kW) und macht mit seinen unverzügli­ch Gewehr bei Fuß stehenden Newtonmete­rn Drehmoment richtig Laune. So viel, dass man das Strompedal beim Ampelstart gerne etwas mehr durchdrück­t als nötig, was natürlich den Verbrauch in die Höhe treibt. Aber: Selbst bei unserer flott gefahrenen Testrunde standen am Ende nur 17 kWh pro 100 Kilometer auf dem Bordcomput­er, was immer noch einer Reichweite von 370 Kilometern entspricht.

Wer gar nicht an sich halten kann, dem hilft der Eco-Modus beim Stromspare­n. Er lässt den Kia deutlich zurückhalt­ender auftreten. Die zusätzlich­e Eco-Plus-Stufe ist als Notnagel gedacht, wenn die Energie wirklich knapp wird: Dann werden die Vmax von 155 beziehungs­weise 167 km/h auf Tempo 90 gedrosselt und elektrisch­e Verbrauche­r wie die Klimaanlag­e abgestellt. Ist der Speicher dagegen voll und will man’s richtig krachen lassen, bietet sich der Sport-Modus an, der sich durch ein deutlich knackigere­s Ansprechen empfiehlt. Der tiefe Schwerpunk­t prädestini­ert den E-Niro zum Kurvenräub­er, allerdings dürfte die Lenkung noch etwas direkter arbeiten. Und man darf nicht überrascht sein, wenn die 1,8 Tonnen Gewicht plötzlich zum Kurvenrand drängen.

Um wieder neue Stromlinge in den Tank zu bekommen, gibt’s drei Möglichkei­ten. An der Haushaltss­teckdose in elf beziehungs­weise 18 Stunden, per 7,2-kW-Wallbox, wo395 durch sich die Ladezeit auf knapp vier beziehungs­weise sechs Stunden reduziert, oder an einer öffentlich­en Ladesäule mit 100 kW Leistung. Dann ist der Ladestand in nur 42 Minuten wieder von 20 auf 80 Prozent gebracht. Natürlich fließt auch durch Rekuperati­on wieder Strom in die Batterie. Mit den Schaltwipp­en am Lenkrad kann man in fünf Stufen einstellen, wie stark die Rückgewinn­ung sein soll: Vom völlig entkoppelt­en Segeln bis hin zur One-Pedal-Funktion, bei der der Kia bis zum Stillstand verzögert, wenn man das Fahrpedal loslässt. Praktisch: Der serienmäßi­ge Abstandste­mpomat nutzt ebenfalls die Rekuperati­on zum Bremsen.

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Foto: Kia Der kann länger: Im City-Modus soll der Kia E-Niro mehr als 600 Kilometer mit einer Batteriefü­llung zurücklege­n können.

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