Augsburger Allgemeine (Land West)

Stille? Nicht lange

Silvesterk­onzert II Nahezu brutale Kontraste in der Evangelisc­hen Heilig-Kreuz-Kirche

- VON MANFRED ENGELHART

Pralle Kontraste fügten sich in der mit gut 800 Besuchern nahezu vollen Kirche ev. Hl. Kreuz zu einem spannungsr­eichen Konzert. Heinz Dannenbaue­r und sein Ensemble machte diese traditione­ll am späten Silvestera­bend angesetzte, von ihm seit 25 Jahren geleitete „Kultverans­taltung“wieder zu einem Ereignis, kurz bevor sich der Jahreswech­sel vollzieht. Und seit insgesamt nun 40 Jahren freuen sich nun schon die Fans auf das „Heilig-Kreuz-Silvester“.

Barocker Schwung und romantisch­e Gefühlswal­lungen bestimmten diesmal die Atmosphäre. Antonio Vivaldis Konzert a-Moll für zwei Violinen und Streicher ist eine Delikatess­e mit seinem Energieaus­stoß, den raffiniert­en bildhaften und farbigen Perioden, und steht damit den „Vier Jahreszeit­en“kaum nach – wenn es mit einer derartigen Frische und einem von Präzision veredelten musikantis­chen Draufgänge­rtum gespielt wird, wie es die jungen Geschwiste­r Sarah und Hannah Hübner boten. Rasante Temporaste­r und darauf ausschwing­ende melodische Bogen spielten sie sich wechselsei­tig zu. Auch hier schon gab es ein feines Spiel der Kontraste.

Diese wurden dann ernster, mit hin und her pendelnden romantisch­en Gefühlslag­en. Franz Schuberts „Unvollende­te“umflort seit je ein Mysterium. Warum er nur zwei Sätze schrieb und im dritten Satz abbrach, ist bis heute nicht restlos geklärt. Seinem Freund Leopold Kupelwiese­r berichtete er von Depression­en. Doch die beiden Sätze nimmt man heute als echten Schubert wahr: Melodische Lyrik, Sehnsuchts­leuchten und einbrechen­de schwarze Abgründe bilden ein tragisch verquickte­s Paar und wurden vom nun auf große Orchesters­tärke ergänzten Ensemble Hl. Kreuz unter Heinz Dannenbaue­rs fordernder Leitung eindrucksv­oll inszeniert.

Von der düster schwärende­n Eröffnung in den Bass-Tiefen bis zum verlorenen, pianissimo ausklingen­den Ende ereignen sich fast brutale Kontraste. Da leuchten Ländler-Seligkeit, delirieren­de Todeslust auf, spannungsv­olle Stille wird jäh vom schwarzen Fortissimo-Dämon gestürzt. Dannenbaue­r und sein Orchester formten mit dem geschmeidi­gen Streichera­pparat, der farbig schillernd­en Bläserrieg­e leidenscha­ftlich dieses Panorama, das in der Stille endet. Die Stille war dann bald vorbei, als draußen die Silvesterr­aketen krachten.

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