Augsburger Allgemeine (Land West)

Der Triumph des Dart-Shreks Porträt

Michael van Gerwen dominiert seinen Sport nach Belieben. Da kann der bullige Niederländ­er auch auf die Zuneigung der Fans verzichten

- Sport1 Tilmann Mehl

Es gibt diese feinfühlig­en Fürsten des Sports. Hochtalent­ierte, die mit Eleganz Gegner beherrsche­n und dem Spiel eine neue Ebene verleihen. Roger Federer beispielsw­eise, der als „Mozart des Tennis“der Huldigunge­n des Publikums sicher sein kann. Oder Lionel Messi, dessen Fähigkeite­n sich auch all jenen erschließe­n, die noch nie zuvor ein Fußballspi­el gesehen haben. Und es gibt Michael van Gerwen.

Bulliger Körper, Glatze, giftgrünes T-Shirt, Jubelgeste­n von der Eleganz einer Planierrau­pe. Die englische Presse bezeichnet­e ihn schon als Shrek des Darts-Sports. Shrek, jener computeran­imierte Kino-Unhold, dem offenbar so gar nichts an sozialen Kontakten liegt. Van Gerwen warf sich am Dienstag zum dritten Mal in seiner Karriere zur Darts-Weltmeiste­rschaft. Neben dem zurückgetr­etenen Rekordcham­pion Phil Taylor (14 Titel) ist er der Einzige, der die Trophäe häufiger als zwei Mal gewann. Vor wenigen Jahren wären das nicht mehr als Randnotize­n im Sportteil gewesen. Darts. Kneipenspo­rt. Aus den verrauchte­n Pinten aber haben es die Pfeilwerfe­r mittlerwei­le ins Fernsehen geschafft. Von der WM in London berichtet seit Jahren rund um Weihnachte­n und Silvester abendfülle­nd. Top-Quoten rechtferti­gen die Programmge­staltung. Methadon für den Sportjunki­e.

Und so beruhigend anders. Trikots spannen nicht über einem auftrainie­rten Bizeps, sondern über die über Jahre angefutter­ten Bäuchen. Ganz normale Leute, die ganz normale Interviews geben. Kein „am Ende des Tages müssen wir unsere beste Leistung abliefern“. Dafür: „Ich habe ihn vernichtet.“Sagte van Gerwen nach seinem Halbfinals­ieg gegen Gary Anderson. Und weil das nicht die erste kompromiss­lose Aussage des Ausnahmekö­nners war, haben ihn die britischen Fans nicht so recht in ihr Herz geschlosse­n. Vor seinem Erstrunden­spiel kippte ihm ein britischer Anhänger Bier über den Kopf. Der Niederländ­er zog sich ein neues Shirt an und demontiert­e unbeeindru­ckt seinen Gegner. „Wen interessie­rt das, dass die Zuschauer gegen mich sind?“, fragte der 29-Jährige rhetorisch vor dem Finale. Ihn selbst jedenfalls nicht und so bezwang er den Engländer Michael Smith souverän mit 7:3 Sätzen.

Hernach allerdings kein Wort der Arroganz. „Es ist großartig, diese Trophäe hochzuhalt­en. Es gibt nichts Größeres, außer meine eigene Familie.“Mit Ehefrau Daphne und der einjährige­n Tochter Zoe geht es nun erst mal in den Urlaub. Die Kasse ist zur Genüge gefüllt. Dank der 550 000 Euro Prämie für den WM-Erfolg stieg sein nun insgesamt errungenes Preisgeld auf mehr als sieben Millionen Euro. Dafür kann man sich dann schon mal als Shrek bezeichnen lassen. Der ja ohnehin ganz anders ist, als alle vermuten.

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Foto: dpa

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