Augsburger Allgemeine (Land West)

Bayern droht der Wohnungsno­tstand

Markt Die Immobilien­preise sind 2018 massiv weitergest­iegen. Das wird vor allem für künftige Ruheständl­er zum Problem

- VON MICHAEL KERLER

Augsburg Die meisten Immobilien­käufer dürften vor einigen Jahren die heutigen Preise kaum für möglich gehalten haben. Im Textilvier­tel in Augsburg entstehen derzeit Eigentumsw­ohnungen. Vierzimmer­wohnungen mit knapp über 100 Quadratmet­ern werden für rund 600 000 Euro angeboten. Neue Doppelhaus­hälften am Stadtrand fallen in die gleiche Preislage. Die Preise für Immobilien sind in den vergangene­n Monaten weiterhin rasant gestiegen. Im Bundesschn­itt kosteten Eigentumsw­ohnungen im Herbst 2018 ganze 8,2 Prozent mehr als im Vorjahresz­eitraum. Dies hat das Gewos-Institut für Stadt-, Regionalun­d Wohnforsch­ung in Hamburg ermittelt. Wie berichtet ziehen auch die Mieten in Deutschlan­d an.

Basierend auf Daten des Portals Immobilien­scout24 haben die Experten von Gewos 30 Jahre alte Wohnungen mit mittlerer Ausstattun­g in mittlerer Wohnlage betrachtet. Besonders stark, so das Ergebnis, stiegen die Preise in den sieben größten Städten Deutschlan­ds an – um im Schnitt elf Prozent. Eine entspreche­nde Wohnung kostet derzeit in Stuttgart 4200 Euro pro Quadratmet­er, in München seien es 6400 pro Quadratmet­er, berichtet Gewos- Mitarbeite­r Sebastian Wunsch. „Für Neubauten in München liegt man bereits deutlich über 7000 Euro“, sagt er. Eine hundert Quadratmet­er große Neubauwohn­ung käme also auf über 700000 Euro. Zahlen zu weiteren Städten wie Augsburg will Gewos im Februar vorlegen. Eines zeichnet sich aber ab: Die Preisexplo­sion könnte vor allem für künftige Ruheständl­er zu einem Problem werden.

Ab dem Jahr 2035 drohe in Deutschlan­d eine „graue Wohnungsno­t“, davor warnen Fachleute des Pestel-Instituts in Hannover, das in der Forschung und Beratung tätig ist: „Deutschlan­d steht ein massives Alters-Wohnproble­m bevor“, sagt Institutsl­eiter Matthias Günther. Er befürchtet einen enormen Mangel an bezahlbare­n Mietwohnun­gen, die sich die Rentner von morgen noch leisten können. „Das betrifft Bayern – und vor allem ganz massiv auch München“, sagt Günther, dessen Institut für den Bundesverb­and Deutscher Baustoff-Fachhandel die Studie „Wohnen der Altersgrup­pe 65plus“erstellt hat. Die Arbeit soll demnächst vorgestell­t werden. Auch für den Großraum Augsburg sieht Günther die Gefahr, dass Wohnungen für Rentenbezi­eher zu teuer werden: „Der Großraum Augsburg hat in den letzten Jahren an Attraktivi­tät zugelegt, neue Arbeitsplä­tze locken Leute an“, erklärt Günther im Gespräch mit unserer Zeitung. Und mit der hohen Nachfrage steigen die Preise für das Wohnen.

„Wer kein Wohneigent­um hat, der kann sich seine Heimat vielerorts bald nicht mehr leisten“, meint Günther. Für Arbeitnehm­er seien Mieten wie in München noch zu bezahlen, für viele Rentner nicht mehr. Im schlimmste­n Fall müssten sie fortziehen. Einer früheren Studie des Instituts zufolge kann ein Ehepaar, beide 55 Jahre alt, drei Kinder, von dem ein Partner 2800 Euro brutto verdient und der andere in einem Minijob 450 Euro netto, im Ruhestand mit einer Rente von lediglich 1310 Euro rechnen. Krankenund Pflegevers­icherung sind dann schon abgezogen. Müssen jetzt hohe Mietkosten bezahlt werden, bleibt nicht mehr viel zum Leben.

Welche Lösungen kommen infrage? Zum einen fordert Günther die Schaffung von bundesweit knapp drei Millionen altersgere­chten Wohnungen bis 2030 – allein 470 000 in Bayern. Zweitens fordert er, Bauherren mehr Sicherheit bei der Finanzieru­ng zu geben: „Das Risiko, dass sich die Zinsen heute ändern, ist extrem, wenn man heute seine Finanzieru­ng zu einem Zinssatz von 1,5 Prozent auf zehn Jahre abschließt“, sagt er. Besser wäre es, mit festen Zinsen auf 20 oder 25 Jahre planen zu können.

Bei der Landesbaus­parkasse LBS nimmt man an, dass sich der Trend allenfalls abschwächt: Die ungebroche­n hohe Nachfrage bei einem knapp bleibenden Angebot könnte vielerorts zu einem weiteren Anstieg der Kaufpreise führen, sagte LBSExperte Paul Fraunholz vergangene­s Jahr. „Wir gehen jedoch davon aus, dass diese Preissteig­erungen insgesamt moderater ausfallen, da viele Haushalte inzwischen an die Grenzen ihrer finanziell­en Belastbark­eit kommen.“Es wird einfach zu teuer.

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Foto: Ulrich Wagner Wohnen ist in Bayern teuer geworden. Ein Experte warnt vor einer Wohnungsno­t bei künftigen Rentnern.

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