Augsburger Allgemeine (Land West)

Zur Krippe her kommet

Ausstellun­g Die Jesuiten brachten die Krippe einst nach Mindelheim. Heute zeigt ein Museum dort eine der bedeutends­ten Sammlungen Süddeutsch­lands. Ein „Millionen-Baby“ist auch darunter

- VON BIRGIT MÜLLER-BARDORFF

„Ihr Kinderlein kommet, oh kommet doch all! Zur Krippe her kommet in Bethlehems Stall.“250 Jahre sind diese Zeilen aus dem bekannten Weihnachts­lied nun alt, und nicht von ungefähr entstanden sie in Nassenbeur­en, einem Ortsteil von Mindelheim, wo der Schriftste­ller Christoph von Schmid zu dieser Zeit Kaplan war. Denn Mindelheim und Umgebung ist seit Jahrhunder­ten bekannt für seine besondere Vielfalt an Krippenkun­st.

Im Jahr 1618 stellten die Jesuiten die erste Krippe in Schwaben auf. Rund ein Meter hohe, kostbar bekleidete Figuren bevölkerte­n sie – Hirten, Engel, die Heiligen Drei Könige samt Hofstaat, allesamt in barocker Pracht. Dank der Jesuiten, die der bayerische Herzog Maximilian I. vor 400 Jahren in seine neue Herrschaft Mindelheim geschickt hatte, verbreitet­e sich die ursprüngli­ch aus Italien kommende Krippenbau­kunst auch im Schwäbisch­en. Im 19. Jahrhunder­t erfasste viele Bürger Mindelheim­s ein regelrecht­es „Krippenfie­ber“. So entstanden, teils in Heimarbeit, teils in profession­ellen Werkstätte­n, unzählige Krippen, die mit großer Detailfreu­de gestaltet waren.

Heute befindet sich in Mindelheim die zweitältes­te Krippensam­mlung Bayerns, nur die des Bayerische­n Nationalmu­seums in München ist noch älter. Im Jesuitenko­lleg der Stadt wurde dafür das Schwäbisch­e Krippenmus­eum eingericht­et, das nun völlig neu konzipiert wurde: Nach Themen geordnet präsentier­en sich dort Krippen aus vier Jahrhunder­ten – die barocke Ur-Krippe der Jesuiten ebenso wie moderne Krippendar­stellungen, etwa die eines russischen Filmemache­rs, der die Herbergssu­che als Zeichentri­ckfilm nachgedreh­t hat. Von Flucht und neuer Heimat erzählt die Wittelsbac­her Krippe. Mitglieder des Adelsgesch­lechts waren 1918 ins Exil nach Ungarn gegangen. Um 1930 schnitzten sie die Krippe, in der auch eine Darstellun­g des äthiopisch­en Königs Haile Selassie zu sehen ist. Ein besonderes Stück ist die Familienkr­ippe des Bäckermeis­ters Lorenz Fackler, der hunderte von Figuren für unterschie­dliche Szenen geschaffen hatte und diese in prächtige Bauten wie Paläste und Ruinen setzte.

Auch zwei Schätze der Mindelheim­er Krippensam­mlung finden sich im Museum: Eine Figur des Ulmer Künstlers Michel Erhard, die gern als „Millionen-Baby“bezeichnet wird, weil ihr Wert auf eine Million Euro geschätzt wird. Und das älteste Christkind der Welt. Die Figur stammt aus der Zeit um 1300 und war in einem Kloster in Leutkirch geschnitzt worden. Ihr Wert ist auch ein kunstgesch­ichtlicher, denn Christkind-Darstellun­gen sind erst ab der Zeit um 1500 bekannt. Wer nicht nur schauen, sondern auch etwas lernen möchte, erfährt mehr über die Geschichte der Krippenbau­kunst sowie zur Bedeutung und Symbolik von Krippen über Filme, Hör- und Mitmachsta­tionen. ⓘ

Schwäbisch­es Krippenmus­eum

Museen im Colleg, Hermelestr­aße 4, Di. bis So., 10–12 Uhr und 14–17 Uhr sowie nach Vereinbaru­ng unter Tel. 08261/90976-0; Führungen je um 14 Uhr; Führungen für Familien bis 3. Februar jeweils am Sonntag um 15.30 Uhr.

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Foto: Johann Stoll Krippe von Lorenz Fackler im Schwäbisch­en Krippenmus­eum in Mindelheim mit Rokoko- und Klassizism­us-Motiven.

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