Augsburger Allgemeine (Land West)
Bis ihr der Kragen platzt
Die Frau des Nobelpreisträgers Wer hat die Bücher geschrieben? Glenn Close spielt oscarreif
In „Big Eyes“erzählte Tim Burton die wahre Geschichte der Malerin Margaret Keane. Die Amerikanerin hatte sich auf Porträts mit übergroßen Augen spezialisiert, die unter dem Namen ihres Ehemanns erfolgreich vermarktet wurden. In den 1960er Jahren hätten sich Bilder von Frauen wesentlich schlechter verkauft. Wenn der schwedische Regisseur Björn Runge nun seine Leinwandversion des Bestsellers „Die Ehefrau“(„The Wife“) von Meg Wolitzer präsentiert, sind gewisse Parallelen zur Keane-Geschichte nicht abzustreiten.
Joe Castleman (Jonathan Pryce) liegt noch im Bett, als ihn ein Telefonat aus dem fernen Europa erreicht. Das Nobelpreiskomitee informiert den erfolgsverwöhnten Schriftsteller über seine bevorstehende Auszeichnung. Joe ist völlig außer sich vor Freude, und auch seine Frau Joan (Glenn Close) ist mächtig aufgeregt. Der Preisträger in spe badet ab sofort in der allgemeinen Anerkennung. Joan, die ihrem Mann ein Leben lang den Rücken freigehalten hat, rückt zunehmend in den Hintergrund. Das ändert sich auch nicht, als das Paar zur Verleihungszeremonie nach Stockholm reist. Jedermann liegt Joe zu Füßen, man lässt dem Star der Literaturszene jeglichen Luxus angedeihen. Sogar die junge, attraktive Nobel-Fotografin macht dem greisen Schreiber eindeutige Avancen. Es wäre nicht das erste Mal, dass Joans Mann Abwege beschreitet. Es ist der Journalist Nathaniel Bone (Christian Slater), der Lunte riecht und sich hartnäckig an die Fersen der Castlemans heftet. Warum machten Joes Werke, die zunächst von überschaubarem Talent zeugten, einen qualitativen Quantensprung, seit Joan die Frau an seiner Seite ist?
Die Geschichte wird auf verschiedenen Zeitebenen erzählt. Immer wieder denkt Joan an die Zeit zurück, in der sie Joe kennenlernte. Er war ihr Universitätsprofessor und nicht nur vom schriftstellerischen Talent der jungen Studentin beeindruckt. Begabung ist im Amerika der ausgehenden 1950er aber wenig wert, wenn man eine Frau ist. Eine der wenigen angesehenen Autorinnen warnt Joan vor dem Einschlagen einer solchen Laufbahn, denn hinter den Verlagen und den Kritiken stehen ausschließlich Männer. Was folgt, ist die durchaus allgemeingültige Story einer Beziehung, in der einer zurücksteckt und der andere profitiert.
Björn Runge leuchtet alle Facetten einer solchen Zweckgemeinschaft aus und trifft genau den richtigen Ton, zu dem auch feinsinniger Humor gehört. Glenn Close darf für ihre überragende Leistung auf einen Golden Globe und endlich auch einen Oscar hoffen, auch die Filmmusik hinterlässt bleibenden Eindruck. Lebensklug und unterhaltsam!
» Die Frau des Nobelpreisträgers (1 Std. 41 Min.), Drama, GB/S/USA Wertung ★★★★✩