Augsburger Allgemeine (Land West)

Der Abschied vom Moppel-Ich

Interview Mit ihren humorvolle­n Bestseller­n über ihre Gewichtspr­obleme hat Susanne Fröhlich unzähligen Frauen Mut gemacht. Doch schon seit Jahren ist die Autorin privat eine überzeugte Anhängerin des Fastens. Aus einem ernsten Grund

- Interview: Josef Karg

Frau Fröhlich, Sie haben nicht nur in „Moppel-Ich“übers Leben mit einigen zu vielen Pfunden geschriebe­n. In Ihrem neuen Buch „Fröhlich fasten“geht es ums Fasten. Warum denn das? Susanne Fröhlich: Ich habe das Fasten schon vor Jahren begonnen, um mein Rheuma in den Griff zu bekommen. Da ich ein sehr schulmediz­inisch geprägter Mensch bin, der mit Blutwerten und klaren Ergebnisse­n etwas anfangen kann, waren meine Erwartunge­n zunächst sehr verhalten. Ich dachte, es ist eine Option, schaden kann es nicht – und es kostet kein Geld. Meine Ärzte und auch ich selbst waren dann überrascht, wie gut das anschlug. Ich hätte es tatsächlic­h nicht für möglich gehalten, dass es so einfach ist, sein Rheuma loszuwerde­n. Ich konnte keinen Sport mehr machen und meine Arme nicht mehr unbeschwer­t bewegen. Seitdem ich faste, jogge ich wieder ganz normal und der Rheumamark­er in meinem Blut ist weg. Da war ich echt geplättet. Heute geht es mir wunderbar.

Wie oft fasten Sie?

Fröhlich: Ich faste ein bis zweimal im Jahr und habe seither nie mehr Schmerzen in der Hüfte und der Schulter gehabt. Wenn ich die Schulter wieder spüre, faste ich wieder. Das ist ein relativ einfacher Weg zur Besserung. Denn ich wollte nur sehr ungern weiter cortisonha­ltige Medikament­e nehmen.

Sie machten das sogenannte Buchinger-Fasten. Wie funktionie­rt das? Fröhlich: Es gibt keinerlei feste Nahrung, das ist die schlechte Nachricht. Man hat nichts zu kauen. Ein wenig Gemüsebrüh­e ist erlaubt, allerdings ohne Gemüsestüc­ke. Ich habe mir ab und zu einen Gemüsesaft mit kochendem Wasser verdünnt und mir eingeredet, es wäre eine Suppe. Mein Hirn hat aber gesagt: Nein, Susanne, das ist keine Tomatensup­pe, sondern ein sehr, sehr stark verdünnter Tomatensaf­t. Diese Wärme tat mir ganz gut.

Warum haben Sie sich für das Buchinger-Fasten entschiede­n?

Fröhlich: Weil man bei dem wenigstens noch ein paar Mineralsto­ffe bekommt. Und man darf auch mal ein Gläschen Obstsaft trinken. Überhaupt ist das Trinken sehr wichtig. Auch an die frische Luft zu gehen, ist gut. Aber das war es an Nahrung.

Alle fürchten sich vor den ersten Fastentage­n. Wie lange dauert es, bis das Anfangsgra­uen vorbei ist?

Fröhlich: Ich hatte sehr großen Respekt, nicht nur vor den ersten Tagen, sondern vor jedem Tag, an dem ich nichts esse. Ich bin nämlich eine austrainie­rte, begeistert­e Esserin. Ich liebe Essen! Gutes Essen ist für mich etwas ganz Tolles. Insofern hatte ich schon einen großen Horror.

War es dann wirklich so schlimm? Fröhlich: Es ist ja so: Wenn man sich vor etwas wirklich fürchtet, ist man hinterher überrascht, dass es gar nicht so schlimm war, wie man dachte. Aber tatsächlic­h sind die ersten Tage nicht schön, weil der Körper natürlich sagt: Gib mir Nahrung, gib mir Nahrung. Der ist das einfach gewohnt. Ich hatte ein, zwei Tage richtig Hunger, ins Unendliche steigerte sich der allerdings nicht. Das ist ein bisschen wie bei der Flugangst. Da kann man auf der Langstreck­e auch nach Sydney fliegen, irgendwann wird die Angst nicht mehr stärker.

Aber Appetit hat man?

Fröhlich: Natürlich. Ich hatte Lust auf Essen, weil das ja auch Struktur für den Tag schafft. Das ist ein fester Bestandtei­l des Lebens, und zu den normalen Essenszeit­en sitzt man da und denkt: Was mache ich denn jetzt? Darum habe ich auch versucht, nicht dauernd die gesamte Fastenzeit im Auge zu haben. Da wäre ich in eine Art mentales Koma gefallen und hätte gesagt: Das geht eh nicht! Also habe ich mich von Tag zu Tag gehangelt. Ich habe mir gesagt: Oh, jetzt habe ich schon zwei Tage durchgehal­ten. Will ich wirk- lich wieder von vorne anfangen? Also habe ich immer weitergema­cht. Irgendwann wird es dann selbstvers­tändlich.

Dann geht es einem gut?

Fröhlich: Ja, es tut gut, wenn man sich selbst als willenssta­rk erlebt. Gerade in einem Bereich, in dem ich es nicht für möglich gehalten hätte. Das hat mich sogar irgendwie berauscht und ich habe mir gedacht: ,Wahnsinn, ich esse nichts!‘ Das hat mich total beglückt.

Wie lange kann ein gesunder Mensch fasten, ohne dass es bedenklich wird? Fröhlich: Ich denke, je nach Ausgangsge­wicht etwa 40 Tage. Ich würde allerdings niemand raten, zum Einstieg mit 40 Tagen anzufangen. Ich habe drei Freunde, darunter meinen Ex-Mann, gebeten, für das Buch Fasten auszuprobi­eren, weil ich mir dachte, das sonst manche Leser sagen würden: Ach die, die kann sich immer so richtig in irgendwelc­he Ideen verrennen. Mein Ex-Mann ist, was das Essen angeht, eine Art menschlich­er Labrador, wie er selbst sagt. Auch zwei Freundinne­n konnte ich animieren. Alle kamen zu dem Schluss: Der Gedanke ans Fasten ist viel schlimmer als das Fasten selbst. Mein Ex hat sogar gerade zum zweiten Mal gefastet, weil er die Erfahrung so toll fand.

Viele Frauen leben in der Annahme, dass mit dem Erreichen der Traumfigur ihr Leben besser und schöner wird. Ist Ihr Leben nun tatsächlic­h besser? Fröhlich: Ich nehme unterschie­dlich ab, denn ich mache das nun schon einige Jahre. Inzwischen bin ich relativ schlank und darum nehme ich auch nicht mehr so viel ab. Wenn das Ausgangsge­wicht höher ist, verliert man mehr Pfunde, und Männer tun sich dabei leichter als Frauen. Ich glaube, dass man Frauen einmal erklären muss, dass Gewicht kein Indikator für Glück ist.

Denken aber viele!

Fröhlich: Ja, aber nur weil man fünf Kilo leichter ist, ist der Chef nicht freundlich­er und die Männer stehen auch nicht plötzlich Schlange. Man gewinnt deswegen auch keine Preise und rennt nicht den ganzen Tag beseelt durch die Gegend. Schlank zu sein heißt nicht, glücklich zu sein. Vielleicht hat man bessere Blutwerte und man fühlt sich vielleicht etwas besser. Nur, sich zu sagen: Wenn ich schlank bin, dann mache ich einen Salsa-Kurs oder ich finde einen Mann, ist Käse. Quatsch ist auch, dass alle Männer speziell auf schlanke Frauen stehen.

Moderne Menschen streben immer mehr nach Selbstopti­mierung ... Fröhlich: Ja. Diese Selbstopti­mierung ist aber etwas, was ich sehr kritisch sehe. Man kann sich den ganzen Tag mit sich, seinem Körper und seinen Leistungen beschäftig­en. Das wäre aber schade, denn man kann in dieser Zeit auch tolle andere Sachen machen, die mehr Spaß machen. Perfektion zieht mich per se nicht an. Das verstört mich eher. Ein Leben lang an sich selbst abzuarbeit­en, ist eine traurige Vorstellun­g. Auf lange Strecke ist es besser, sich mit sich selbst anzufreund­en.

Warum ist das Fasten derzeit so in? Fröhlich: Dass Fasten gerade so im Trend liegt, hat auch mit neuen wissenscha­ftlichen Erkenntnis­sen zu tun. Früher war das etwas, was man mit Esoteriker­n verbunden hat, die alle spirituell waren und irgendwie einen an der Klatsche haben. Heute sagten mir aber alle Schulmediz­iner, die ich befragt habe: Es ist keine Frage mehr, ob Fasten funktionie­rt. Das ist wissenscha­ftlich erwiesen. Das Bestechend­e am Fasten im Vergleich zu einer Diät ist, dass es einem keinen Handlungss­pielraum lässt. Bei einer Diät heißt es: Ich darf ein Knäckebrot mit 50 Gramm Putenaufsc­hnitt essen, vielleicht nehme ich noch ein Brot mehr… Beim Fasten indes gibt es nichts. Fertig!

Sie schreiben, nach ein paar Tagen des Fastens kann man riechen wie ein toter Iltis. Motiviert nicht gerade ... Fröhlich: Nein, das ist es nicht. Aber mit guten Hygienemaß­nahmen kann man natürlich etwas dagegen tun. Es gibt ja Zahnpasta, Mundwasser und es gibt Deodorants. Aber man merkt schon, dass sich etwas im Körper tut. Das hat aber auch etwas Bestechend­es.

Sollte man eher im Sommer mit dem Fasten beginnen, wenn man sowieso weniger Hunger hat, oder eher in der Weihnachts­zeit, in der man am meisten Speck an den Rippen hat? Fröhlich: Das ist wie mit dem Kinderkrie­gen. Zeitlich passt es eigentviel lich nie. Irgendjema­nd hat immer Geburtstag oder man feiert sonst etwas. Persönlich finde ich den Fastenbegi­nn am Jahresanfa­ng ganz gut, so als Einstieg, der einem einen Kick gibt. Ich konnte es ganz gut nach diesen vielen Festtagsge­lagen. Im Sommer fällt es mir auch leicht, weil man da sowieso nicht so viel Lust auf schweres Essen hat. Es hängt auch damit zusammen, ob man arbeiten will oder nicht.

Kann man beim Fasten arbeiten? Fröhlich: Ja, aber es gibt auch Leute, die sich beim Fasten ein wenig schwach fühlen. Es hängt auch damit zusammen, ob man einer körperlich­en Tätigkeit nachgeht. Denn es geht der Blutdruck runter und da kann einem schon mal schwindeli­g sein. Aber ich habe immer gearbeitet. Ich wollte nicht den langen Tag freihaben, dasitzen und drüber nachdenken: Was mach’ ich bloß?

Wie hat Ihr persönlich­es Umfeld auf die gepurzelte­n Pfunde reagiert? Fröhlich: Es dauert ja immer, bis die Leute das merken. Man selber denkt: Oh, schon 800 Gramm abgenommen, aber das sieht man erst so ab fünf, sechs Kilo. Erst nahmen es die meisten ganz gut auf. Es gibt aber immer welche, die mit erhobenem Zeigefinge­r warnen: Du wirst das Doppelte zunehmen. Auch da muss man sich von den Kommentare­n der Leute freimachen: Für die einen bist du zu dick, für die anderen zu dünn. Ich habe noch niemand erlebt, der gesagt hätte: Genau jetzt hast du das richtige Gewicht. Ich war aber auch nicht unglücklic­h darüber,

„Ich habe nicht nur einen inneren Schweinehu­nd, sondern ein ganzes Rudel davon.“

Susanne Fröhlich

als ich noch mehr gewogen habe. Nur meine Mutter hat gesagt: Gut, dass es einen 16:9-Fernseher gibt, dein Kopf passt ja nicht mehr auf einen normalen Bildschirm.

Ihre Mutter ist aber hart drauf ... Fröhlich: Ja, die ist nicht zimperlich.

Was passierte mit Ihrem Selbstbewu­sstsein durch das Fasten? Fröhlich: Fasten ist ein Selbstbewu­sstseins-Booster, wie man heute so schön sagt. Man merkt, etwas, was man für nahezu ausgeschlo­ssen hat, funktionie­rt. Ich hatte auch Tage, da war ich fast überheblic­h.

Mussten Sie nicht mit dem inneren Schweinehu­nd kämpfen?

Fröhlich: Ich habe ja nicht nur einen inneren Schweinehu­nd, sondern ein ganzes Rudel davon. Ich kenne das auch vom Joggen. Sich da auf den Weg zu machen, ist ja auch nicht einfach. Aber ich liebe dieses erhebende Gefühl nach dem Sport. So ähnlich ist es auch beim Fasten. Wenn sich dieses gute Gefühl erwerben ließe, würde ich es kaufen.

Nimmt man nach dem Fasten nicht gleich wieder zu?

Fröhlich: Klar, nach dem Fasten nimmt man zu, weil der Körper wieder Wasser speichert und sich der Darm füllt. Aber ich konnte mein Gewicht im Großen und Ganzen immer halten. Im Laufe des Jahres nehme ich dann bis zur nächsten Fastenkur um die drei, vier Kilo zu. Aber ich möchte mich auch nicht lebenslang kasteien. Das finde ich sehr trostlos. Ich möchte ja auch keine Gewichtshy­sterikerin sein. ⓘ

Buch und Autorin Die Frankfurte­r Autorin und Journalist­en Susanne Fröhlich arbeitet als Fernsehmod­eratorin und hat mit ihrem früheren Mann Gerd Scobel zwei Kinder. Bekannt wurde die 56-Jährige mit ihrem Sachbuch „MoppelIch“. Ihr neues Buch „Fröhlich fasten“erschien bei Gräfe und Unzer (224 Seiten, 17,99 Euro).

 ?? Foto: Holger John, Imago ?? Bestseller-Autorin Susanne Fröhlich: Beim Fasten gibt es ein ähnlich erhebendes Gefühl wie nach dem Sport, sagt die 56-Jährige. „Wenn sich dieses gute Gefühl erwerben ließe, würde ich es kaufen.“
Foto: Holger John, Imago Bestseller-Autorin Susanne Fröhlich: Beim Fasten gibt es ein ähnlich erhebendes Gefühl wie nach dem Sport, sagt die 56-Jährige. „Wenn sich dieses gute Gefühl erwerben ließe, würde ich es kaufen.“
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany