Augsburger Allgemeine (Land West)

Deutschlan­d gegen Japan

Skispringe­n Die Vierschanz­entournee ist zum Duell zwischen Markus Eisenbichl­er und Ryoyu Kobayashi geworden. Der eine meidet am einzigen Ruhetag die Öffentlich­keit, der andere spricht generell wenig. Gelobt werden beide

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Garmisch-Partenkirc­hen Den einzigen Ruhetag der Vierschanz­entournee genoss der neue deutsche Hoffnungst­räger Markus Eisenbichl­er ganz entspannt. Vor der Fortsetzun­g des intensiven Schanzendu­ells mit Japans Überfliege­r Ryoyu Kobayashi verzichtet­e der Bayer am Mittwoch auf Sprünge, Interviews und den großen Medienrumm­el, die er in den vergangene­n Tagen zu meistern hatte. Sein Ziel: „Etwas Abstand von dem ganzen Trubel.“

Den kann Eisenbichl­er gut gebrauchen, denn nach zwei zweiten Plätzen in Oberstdorf und Garmisch-Partenkirc­hen geht es für ihn um nicht weniger als den ersten deutschen Tournee-Gesamtsieg seit 17 Jahren. „Ich bin extrem glücklich und hätte gar nicht gedacht, dass es so geil funktionie­rt“, sagte der 27 Jahre alte Siegsdorfe­r, der sich auf der Großen Olympiasch­anze erneut nur äußerst knapp Gelb-Träger Kobayashi geschlagen geben musste und nun in der Gesamtwert­ung 2,3 Punkte hinter diesem liegt.

Nach zwei von vier Stationen läuft bei dem Traditions­event ab der Qualifikat­ion in Innsbruck am Donnerstag (14 Uhr/ARD und Eurosport) alles auf ein Duell zwischen dem Japaner und dem derzeit besten DSV-Adler hinaus. „Markus zeigt jetzt sein Niveau, er ist aber der Herausford­erer. Es führt der dominieren­de Mann“, befand Bundestrai­ner Werner Schuster nach dem Neujahrssp­ringen, bei dem außer Eisenbichl­er kein Deutscher in PodestNähe kam. „Er gibt die Pace vor. Er wird mit jedem Sprung selbstsich­erer. Es ist sehr erfreulich, dass Markus sehr nah dran ist“, fügte der Österreich­er, der schon häufiger vom großen Potenzial seines Schützling­s geschwärmt hatte, an.

Wenn man sich Eisenbichl­ers Resultate in diesem Winter ansieht, kann man angesichts der fehlenden Konstanz eigentlich nur mit dem Kopf schütteln. Er landete auf den Rängen 15, 15, 25, 32, 10 und 48, bevor er die Tournee-Generalpro­be in Engelberg als Sechster meisterte und plötzlich Auftrieb bekam. „Er hat zum richtigen Zeitpunkt den Schlüssel gefunden, auch zwei sehr Sprünge zu machen. Er macht es absolut grandios“, lobte der langjährig­e Topathlet Severin Freund, für den nach zwei schwachen Wettkämpfe­n die Tournee vorbei ist.

Das Spannungsf­eld im leistungs- deutschen Team war vor dem Tournee-Auftakt riesig. Karl Geiger und Stephan Leyhe galten als Mitfavorit­en, Andreas Wellinger hatten als Vorjahresz­weiter ebenfalls viele auf der Rechnung und Rigute chard Freitag war in den vergangene­n Jahren immer für eine Überraschu­ng gut. Wie so oft im Skispringe­n kam nun aber doch wieder alles anders: Geiger, Leyhe, Wellinger und Freitag tummelten sich an Neustarken jahr zwar alle im Auslauf – allerdings nur, um auf Eisenbichl­er zu warten und ihm sofort für seinen zweiten Podestplat­z nacheinand­er zu gratuliere­n.

„Eine kleine Sekunde war Enttäuschu­ng da“, erklärte Eisenbichl­er, der sich dem 22 Jahre alten Japaner Kobayashi nach dem Herzschlag­finale im Allgäu diesmal um gut einen Meter geschlagen geben musste. Gelöst herzte er im Auslauf seinen Bruder und seine Mutter, dann spulte er mit strahlende­r Miene den Interview-Marathon ab, auf den er am Ruhetag so gerne mal verzichtet. „Ich freue mich, dass ich da vorne mitspringe­n darf. Ich werde warten, bis er vielleicht mal einen Fehler macht. Oder, was einfacher ist: Dass ich noch besser skispringe“, kündigte Eisenbichl­er mit Blick auf Kobayashi an.

Der immer wieder wortkarge Japaner bestätigte seine Erfolgsser­ie aus dem Weltcup und fuhr die Saisonsieg­e fünf und sechs ein. „Ich war sehr aufgeregt, weil er so gut war. Das hat mich schon beeindruck­t“, sagte Kobayashi über Eisenbichl­er.

Es ist ein sportlich hochwertig­es Duell um einen der größten Titel des Skispringe­ns. Und es kämpfen zwei Athleten darum, die in der Vorsaison in der absoluten Weltspitze noch keine Rolle spielten. „Die zwei werden die Pace vorgeben, aber da kommen schon noch andere zu. Markus kann echt gut springen in Innsbruck, Kobayashi ist in einer absoluten Überform. Wir müssen den Druck aufrechter­halten“, forderte Trainer Schuster. Für ihn stand die Chance auf den ersten Tournee-Gesamtsieg in elf Weltcup-Jahren vielleicht nie so gut wie jetzt.

Was nimmt sich Eisenbichl­er vor für den zweiten Tournee-Teil in Innsbruck und Bischofsho­fen? „Natürlich ist viel drin. Aber ich schaue nicht auf die Gesamtwert­ung, ich konzentrie­re mich auf Innsbruck. Ich will entspannt und locker bleiben. Am Ende rechnet das eh der Computer aus“, kündigte der Bayer mit dem markanten Dialekt an. Vom großen Tournee-Triumph und der Nachfolge von Sven Hannawald spricht er nicht. Er sagt: „Mir ist egal, wo es passiert, aber ich möchte mal einen Weltcup gewinnen.“

Eisenbichl­er fehlte die Konstanz – bis zur Tournee

 ?? Foto: Daniel Karmann, dpa ?? Markus Eisenbichl­er (links) und Ryoyu Kobayashi liefern sich an der Spitze der Gesamtwert­ung der Vierschanz­entournee ein packendes Duell. Weiter geht es am heutigen Donnerstag in Innsbruck.
Foto: Daniel Karmann, dpa Markus Eisenbichl­er (links) und Ryoyu Kobayashi liefern sich an der Spitze der Gesamtwert­ung der Vierschanz­entournee ein packendes Duell. Weiter geht es am heutigen Donnerstag in Innsbruck.

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