Augsburger Allgemeine (Land West)

Erfindet Dobrindt die CSU neu?

Klausur Nach Wahldebake­ln und Streit übt die Partei Erneuerung – in den Inhalten, im Ton und im Verhältnis zur CDU. Keiner verkörpert das Ringen um den neuen Kurs wie der Landesgrup­penchef

- VON HOLGER SABINSKY-WOLF

Seeon Wenn Alexander Dobrindt wirklich der Lautsprech­er der CSU ist, dann ist die Partei zurzeit mehr Kammerorch­ester als Rammstein. Leise tönt es von der Klausur in Kloster Seeon, wo sonst brachiale Klänge dröhnen. Im vergangene­n Jahr hat Landesgrup­penchef Dobrindt nichts weniger als eine bürgerlich­e Revolution ausgerufen. Dieses Mal wirbt er für eine Wiederbele­bung der Volksparte­ien und verortet die CSU „Mitte-Rechts“. Wo es früher über Armutsflüc­htlinge aus Rumänien „wer betrügt, fliegt“hieß, fordert die CSU heuer eine raschere Abschiebun­g straffälli­ger Flüchtling­e – eine Position, die heute schon fast von den Grünen geteilt wird.

Kaum einer verkörpert das Ringen mit sich selbst in der CSU so sehr wie CSU-Landesgrup­penchef Alexander Dobrindt. Nach seinen Attacken der vergangene­n Jahre und dem aggressive­n Auftreten in den Berliner Koalitions­verhandlun­gen verhält sich der 48-jährige Oberbayer seit Monaten auffallend zahm. In Seeon schüttelt Dobrindt zur Begrüßung fast allen der vielen Journalist­en die Hand, zeigt sich betont konstrukti­v und gibt als Losung für das neue Jahr „Optimismus“aus.

„Wir müssen der Politik der Angst eine Politik der Chancen entgegense­tzen“, sagt Dobrindt. Die Wandlung dürfte damit zu tun haben, dass Dobrindt kein Gewinner des CSUinterne­n Machtkampf­es ist. Und so sendet er von der Klausurtag­ung seiner CSU-Landesgrup­pe zwei Signa- le: Die Partei werde sich erneuern. Und: Ich bin noch da.

Die CSU will sich in diesem Jahr neu erfinden. In den Inhalten, im Tonfall, beim Personal – und im Verhältnis zur Schwesterp­artei CDU. Und da will Dobrindt kräftig mitmischen, schon allein aus persönlich­em Interesse. Nun ist es nicht so, dass die Christsozi­alen nicht weiter gerne über scharfe Positionen in der Asylpoliti­k reden würden. Das zeigt sich an der Debatte über die Prügelatta­cken junger Flüchtling­e in Amberg. Doch die CSU hat realisiert, dass sie mit ihren schrillen Tönen der vergangene­n Jahre Teile ihrer Wählerscha­ft vergrault hat. Nichts hasst die erfolgsver­wöhnte Partei so sehr wie Wahlschlap­pen. Von denen hat sie nun einige hinter sich.

Daher lautet die Botschaft nun: Konstrukti­ve Zusammenar­beit und gutes Regieren statt Dauerstrei­t. „Streit lähmt, Streit langweilt und Streit nervt“, formuliert Ministerpr­äsident Markus Söder und setzt sich damit schon vor seiner Wahl zum Parteivors­itzenden von seinem Vorgänger Horst Seehofer ab. Der ständige Zwist zwischen Bundeskanz­lerin Merkel und Seehofer wird von vielen in der Partei als einer der Hauptgründ­e für den Absturz der CSU betrachtet. Doch nun stehen die Vorzeichen für eine Annäherung der Unionspart­eien günstig. Die CDU hat schon eine neue Vorsitzend­e, die CSU wird Söder in gut zwei Wochen zu ihrem neuen Chef machen. Da ist es weit mehr als eine symbolisch­e Geste, wenn die Christsozi­alen CDU-Chefin Annegret Kramp-Kar- renbauer zu ihrer Klausur einladen und die eigens ihren Urlaub unterbrich­t und nach Bayern kommt.

Um nicht vorher schon wieder Ärger zu machen, verzichtet­e die CSU heuer auf Provokatio­nen und machte Vorschläge, die die CDU mittragen kann, wie zum Beispiel eine Art Steuererhö­hungsbrems­e und staatlich geförderte Mobilfunkm­asten. Dass die CSU vor lauter Harmoniebe­dürfnis aber auch ihr eigenes Profil schärfen möchte, lassen Dobrindt, Seehofer und Söder in Seeon nur in Nebensätze­n fallen. Seehofer beschreibt den Spagat so: „Politik ist immer ein Kunstwerk.“

Als eine Art Gegenleist­ung für die Zurückhalt­ung hat die CDU Manfred Weber als gemeinsame­n Spitzenkan­didaten für die Europawahl im Mai mitgetrage­n. Für die CSU steht diese Wahl unter besonderen Vorzeichen. Zum einen hat die Serie der Wahlschlap­pen mit der verpatzten Europawahl 2014 begonnen. Zum anderen will Manfred Weber EU-Kommission­spräsident werden. Da kann sich die CSU keine scharfen Attacken auf Europa leisten wie vor fünf Jahren, als der EU-Kritiker Peter Gauweiler mitmischen durfte.

Weber jedenfalls redet seiner eigenen Partei sicherheit­shalber schon mal ins Gewissen. Kein Kopieren von AfD-Inhalten, kein Rechtsruck, kein Gezänk. „Die CSU kann nur erfolgreic­h sein, wenn sie liefert. Wenn sie Dinge nicht nur ankündigt, sondern umsetzt“, sagt Weber im Gespräch mit unserer Redaktion. Die CSU ziehe an einem Strang, versichert er. Und gibt die Losung aus: „2019 muss ein Jahr sein, in dem vor allem in Berlin Schluss ist mit überzogene­n Streit, in dem Antworten ausgearbei­tet werden, in dem gearbeitet wird. Das wird für die CSU und für die CDU zur Schlüsself­rage werden.“

Man merkt: Der aggressive Kurs, für den auch Alexander Dobrindt steht, hat Spuren hinterlass­en. Der Landesgrup­penchef muss sich Kritik aus den eigenen Reihen gefallen lassen. Der Augsburger Bundestags­abgeordnet­e Volker Ullrich zum Beispiel sagt über die Dobrindt-Ideen vom vergangene­n Jahr: „Von einer ,konservati­ven Revolution‘ spricht heute zu Recht keiner mehr. Auch der Konfrontat­ionskurs mit der CDU hat im Ergebnis nicht gutgetan. CDU und CSU können nur gemeinsam stark sein.“Ullrich glaubt zwar, dass die CSU mit ihrer Neuaufstel­lung auf gutem Weg ist, er mahnt aber, sich thematisch breiter aufzustell­en und „die politische­n Herausford­erungen wie Europa, Wohnen, Klimaschut­z, Digitalisi­erung, Zukunft der Rente und Sicherheit konkret anzugehen“.

Der angeschlag­ene Dobrindt ist aber ein Kämpfer. Und er weiß auch, dass die Lage sich gerade dreht. Der neue CSU-Chef Söder sitzt in München. Die neue CDU-Chefin gehört nicht der Bundesregi­erung an. In Berlin wird sein Wort daher künftig wieder mehr Gewicht haben.

Der neuen CDU-Chefin zuliebe fielen die Provokatio­nen aus

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Foto: Matthias Balk, dpa CSU-Politiker Alexander Dobrindt: Der Landesgrup­penchef muss sich Kritik aus den eigenen Reihen gefallen lassen.

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