Augsburger Allgemeine (Land West)

Gefährlich­e Schwestern

Extremismu­s Der Verfassung­sschutz warnt vor gewaltbere­iten Islamistin­nen in Deutschlan­d nach dem Niedergang des IS

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Düsseldorf Als es mit dem Kalifat des Islamische­n Staats bergab ging, sollen es die Islamisten mit der strikten Rollenteil­ung nicht mehr so genau genommen haben. Plötzlich tauchten bewaffnete, voll verschleie­rte IS-Kämpferinn­en in Propaganda­Videos auf. Schon vor mehr als 15 Jahren griffen die tschetsche­nischen Islamistin­nen, die berüchtigt­en „Schwarzen Witwen“, zu den Waffen. Und in Deutschlan­d? Der nordrhein-westfälisc­he Verfassung­sschutz warnt inzwischen: Salafistin­nen seien „zunehmend gewaltbeja­hend und gewaltbere­it“.

Die Islamistin­nen erzögen nicht nur ihre Kinder zu einer neuen Generation von Salafisten: „Sie schrecken im Zweifel auch nicht davor zurück, selbst als Attentäter­innen aufzutrete­n.“Die Behörde berichtete bereits vor einem Jahr über ein islamistis­ches „Schwestern-Netzwerk“. Inzwischen seien es 40 bis 50 Frauen und das Netzwerk breite sich länderüber­greifend aus. Es habe ein komplettes salafistis­ches Programm im Angebot – von der Kindererzi­ehung über das Kochen bis zur Hetze gegen „Nichtgläub­ige“. Allerdings ist die „Lies!“-Aktion inzwischen verboten und die Straßenmis­sionierung der Islamisten damit weitgehend zum Erliegen gekommen. Die Verteilung des Korans in Innenstädt­en war die größte und aufwendigs­te Werbeaktio­n von Salafisten in Deutschlan­d. Führende Köpfe der Salafisten-Szene in Deutschlan­d sitzen hinter Gittern oder haben sich ins Ausland abgesetzt. Von den bundesweit rund 1000 Syrien-Ausreisend­en waren etwa 200 Frauen. 50 von ihnen sind inzwischen wieder zurück.

Nach dem Wegfall einer größeren Anzahl von Männern innerhalb der Szene sei eine Stärkung der Rolle von Mädchen und Frauen wahrschein­lich, warnt der NRW-Verfassung­sschutz. In geschlosse­nen Gruppen, etwa des MessengerD­ienstes Telegram, wird die Propaganda an die Glaubenssc­hwestern verbreitet. „Oh Schwester, bedecke dich“steht auf dem Flyer, der jungen Musliminne­n in Deutschlan­d zugesteckt wurde. Sitzt das Kopftuch locker, sind die Körperkont­uren unter der Kleidung zu erkennen, stößt das den Fundamenta­listinnen sauer auf.

„Ein Drittel der Salafisten in der Beratung sind Frauen und Mädchen. Letztere steigen oft schon mit 13 oder 14 Jahren in die Szene ein“, sagt Claudia Dantschke von der Beratungss­telle Hayat. Von den neun Frauen in Deutschlan­d unter Terrorverd­acht seien nur zwei aus rein muslimisch­en Familien. Fünf seien Konvertiti­nnen, zwei bikulturel­l geprägt.

Ohne Erlaubnis ihres Mannes dürfen die Islamistin­nen dabei nicht einmal vor die Haustür. Aber warum fasziniert eine derart frauenfein­dliche Ideologie Frauen im Westen? „Hausfrau und Mutter, das ist ein Frauenbild, das nicht so anstrengen­d ist wie das der berufstäti­gen westlichen Frau“, meint Dantschke. Die Salafistin­nen indoktrini­erten dabei auch geschickt ihre Kinder. „Das bekommt das Jugendamt nicht so leicht mit. Das ist sehr schwierig. Aber es wäre ein Fehler, die Frauen zu unterschät­zen.“

Gerwin Moldenhaue­r von der Bundesanwa­ltschaft schildert die besonderen rechtliche­n Schwierigk­eiten, die Fanatikeri­nnen zu belangen. Laut Bundesgeri­chtshof ist das freiwillig­e Leben im IS-Kalifat nicht als Mitgliedsc­haft in der Terrorgrup­pe IS zu werten. Entspreche­nd kam eine Syrien-Rückkehrer­in straffrei davon. Während den Männern oft Fotos aus Syrien und Nordirak zum Verhängnis werden, sei dies bei vollversch­leierten Frauen nicht der Fall. Eine Islamistin sei dennoch verurteilt worden: Sie hatte in ihrem Internet-Blog Sprengstof­fanschläge verherrlic­ht und mit Sprengstof­fgürteln posiert.

Frank Christians­en, dpa

 ?? Foto: Boris Roessler, dpa ?? Islamistin­nen am Rande einer Salafisten­veranstalt­ung in Offenbach am Main: Das Netzwerk breitet sich länderüber­greifend aus.
Foto: Boris Roessler, dpa Islamistin­nen am Rande einer Salafisten­veranstalt­ung in Offenbach am Main: Das Netzwerk breitet sich länderüber­greifend aus.

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