Augsburger Allgemeine (Land West)

Die neue Spaltung

- VON BERNHARD JUNGINGER bju@augsburger-allgemeine­n.de

Kaum eine politische Forderung ist derzeit beliebter als „Gleiche Lebensverh­ältnisse für alle“. Doch zunächst einmal führt sie gewaltig in die Irre. Denn gleiche Lebensverh­ältnisse für alle kann es schlichtwe­g nicht geben. Wer das ruhige Land-Idyll am sanft plätschern­den Bächlein sucht, muss auf das pulsierend­e, aber laute Großstadtl­eben verzichten. In manchen Gegenden sind die Jobs zahlreich und die Löhne hoch, gleichzeit­ig aber auch die Wohnungen knapp und die Mieten kaum bezahlbar. Anderswo ist es eben umgekehrt.

Die grundsätzl­ichen Unterschie­de zwischen den Lebensbedi­ngungen in Metropolen, Kleinstädt­en und Dörfern kann der Staat nicht abschaffen. Was er allerdings schaffen muss, sind verlässlic­he Mindeststa­ndards im ganzen Land: bei der Infrastruk­tur, im Verkehr, in der Bildung, bei der medizinisc­hen Versorgung und auch in der Digitalisi­erung. Und dabei hat sich die Politik in den vergangene­n Jahrzehnte­n nicht mit Ruhm bekleckert.

Wenn sich immer mehr Menschen abgehängt fühlen, wenn die Beteuerung­en, es gehe dem Land ja so gut wie nie, in manchen Regionen wie Hohn klingen, dann ist nichts weniger als der gesellscha­ftliche Zusammenha­lt in Gefahr. Die Spaltung verläuft nicht entlang der früheren innerdeuts­chen Grenze, sie verläuft zwischen brummenden Metropolre­gionen und scheinbar vergessene­n Gegenden. Populistis­che Kräfte von den extremen Rändern des politische­n Spektrums haben so leichtes Spiel. Diese Spaltung zu überwinden ist die Aufgabe der Bundesregi­erung. Vielleicht die wichtigste überhaupt.

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