Augsburger Allgemeine (Land West)
Die neue Spaltung
Kaum eine politische Forderung ist derzeit beliebter als „Gleiche Lebensverhältnisse für alle“. Doch zunächst einmal führt sie gewaltig in die Irre. Denn gleiche Lebensverhältnisse für alle kann es schlichtweg nicht geben. Wer das ruhige Land-Idyll am sanft plätschernden Bächlein sucht, muss auf das pulsierende, aber laute Großstadtleben verzichten. In manchen Gegenden sind die Jobs zahlreich und die Löhne hoch, gleichzeitig aber auch die Wohnungen knapp und die Mieten kaum bezahlbar. Anderswo ist es eben umgekehrt.
Die grundsätzlichen Unterschiede zwischen den Lebensbedingungen in Metropolen, Kleinstädten und Dörfern kann der Staat nicht abschaffen. Was er allerdings schaffen muss, sind verlässliche Mindeststandards im ganzen Land: bei der Infrastruktur, im Verkehr, in der Bildung, bei der medizinischen Versorgung und auch in der Digitalisierung. Und dabei hat sich die Politik in den vergangenen Jahrzehnten nicht mit Ruhm bekleckert.
Wenn sich immer mehr Menschen abgehängt fühlen, wenn die Beteuerungen, es gehe dem Land ja so gut wie nie, in manchen Regionen wie Hohn klingen, dann ist nichts weniger als der gesellschaftliche Zusammenhalt in Gefahr. Die Spaltung verläuft nicht entlang der früheren innerdeutschen Grenze, sie verläuft zwischen brummenden Metropolregionen und scheinbar vergessenen Gegenden. Populistische Kräfte von den extremen Rändern des politischen Spektrums haben so leichtes Spiel. Diese Spaltung zu überwinden ist die Aufgabe der Bundesregierung. Vielleicht die wichtigste überhaupt.