Augsburger Allgemeine (Land West)

Inszeniert sich in Amberg die NPD?

Kriminalit­ät Nach mutmaßlich­en Angriffen junger Asylbewerb­er kursieren Gerüchte über eine Bürgerwehr in der Stadt. Welche Konsequenz­en die Politik aus dem Vorfall ziehen möchte

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Amberg Das oberpfälzi­sche Städtchen Amberg kommt nicht zur Ruhe: Nach der mutmaßlich­en Prügelatta­cke von vier jungen Asylbewerb­ern auf Passanten in der Stadt kursierten am Donnerstag Gerüchte über eine rechte Bürgerwehr. Die Polizei prüfte die Berichte. Ein Sprecher erklärte, entspreche­nde Auftritte in sozialen Medien seien bekannt. Hinweise auf Patrouille­n, Demonstrat­ionen oder dergleiche­n gebe es aber nicht. Auch ein Rathausspr­echer dementiert­e den Aufmarsch von Bürgerwehr­en. Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) sagte, der Staat werde es nicht zulassen, wenn etwa NPD und AfD versuchten, sich nun als Bürgerwehr­en darzustell­en. Innenminis­ter Joachim Herrmann kündigte an, die Polizeiprä­senz in der oberpfälzi­schen Stadt zu verstärken.

Vier junge Asylbewerb­er sollen, wie berichtet, am Samstag in Amberg Passanten geschlagen und zwölf von ihnen verletzt haben – anscheinen­d wahllos. Am Sonntag waren dann nach Darstellun­g eines Sprechers der Stadt vier Nürnberger NPD-Mitglieder mit dem Zug nach Amberg gekommen, einige Minuten in roten Westen durch die Stadt spaziert und dann wieder nach Nürnberg zurückgefa­hren. „Es hat im Stadtbild nie eine solche Patrouille und auch keine rechte Bürgerwehr sagte der Rathausspr­echer. Ambergs Oberbürger­meister Michael Cerny (CSU) verwies auf Facebook-Posts der Nürnberger NPD. Fotos zeigen dort Menschen in roten Westen mit der Aufschrift „Wir schaffen Schutzzone­n“. Cerny sagte weiter, er habe eine Mail erhalten: „Darin hieß es, sie wollen Späher nach Amberg schicken.“Über den Absender äußerte er sich nicht. Die Mail habe er an die Polizei weitergele­itet. Das private Facebook-Profil von Cerny verwandelt­e sich kurz nach der Attacke in eine Plattform für rassistisc­he Kommentare. Cerny reagierte auch auf Facebook: „Wir brauchen solche Gewalt in Amberg nicht und wollen sie bei uns nicht sehen.“Der Oberbürger­meister forderte aber auch die Politik auf, zu reagieren und die Abschiebeg­esetze zu verschärfe­n: „Ich glaube schon, dass es wichtig ist, dass man klare Signale auch an die jungen Leute gibt, dass das Verhalten hier in Amberg und in Deutschlan­d generell wichtig ist – auch für ihr Asylverfah­ren insgesamt“, sagte Cerny im heute journal. So etwas wie Kriminalit­ät sei „ein echtes No-Go“.

Die vier Asylbewerb­er sitzen inzwischen in Untersuchu­ngshaft. Die Ermittlung­sbehörden werfen ihnen vor allem gefährlich­e Körperverl­etzung vor. Nach Angaben von Herrmann ist bei einem von ihnen das Asylverfah­ren beendet, sodass die Rückführun­g in das Heimatland eingeleite­t werden kann. Bei den anderen seien die Verfahren noch offen. Sollten die Männer wegen der Prügelatta­cke zu Haftstrafe­n verurteilt werden, „ist es auf jeden Fall ein Grund, den Aufenthalt noch rascher zu beenden“, so Herrmann im Bayerische­n Rundfunk. Gäbe es einen Abschiebes­chutz, müsste er widerrufen werden.

Die jungen Männer aus Afghanista­n und dem Iran lösten eine Debatte über Gewalt von Flüchtling­en und schärfere Abschieber­egeln aus, aber auch Sorgen vor rechten Aufmärsche­n. Oberbürger­meister Cerny sagte: „Eine echte rechte Szene haben wir in Amberg nicht.“Einzelne Rechte seien bekannt und hätten etwa an rechten Demonstrat­ionen wie in Chemnitz teilgenomm­en. Auch habe die AfD in der Stadt stärkere Ergebnisse. Laut Internetse­ite der Stadt kam sie bei der Landtagsge­geben“, wahl auf 13,1 Prozent der Zweitstimm­en. Die AfD-Landtagsfr­aktionsche­fin Katrin Ebner-Steiner sagte nach einem Besuch in Amberg, das Asylrecht müsse verschärft und die Zahl der Polizeistr­eifen im Freistaat erhöht werden. Sie sprach von einer neuen Dimension der Gefährdung. Der Fall zeige: „In Bayern kann es jeden treffen.“

Bundesinne­nminister Horst Seehofer erklärte auf der Klausur der CSU-Landesgrup­pe in Kloster Seeon, es werde geprüft, ob nach Amberg noch weitergehe­nde gesetzlich­e Verschärfu­ngen nötig seien. Die gewalttäti­gen Übergriffe seien besorgnise­rregend. Der Rechtsstaa­t müsse seine Bürger schützen können. Grüne, FDP und Linke warnten dagegen vor einer Überreakti­on und mahnten eine konsequent­e Umsetzung der bestehende­n Regelungen des Ausländerr­echts an.

Kritik am Vorgehen von Justiz und Politik kam vom Bayerische­n Flüchtling­srat. Flüchtling­e würden häufig vorschnell und leichtfert­ig inhaftiert, sagte ein Sprecher am Donnerstag und sprach von Vorverurte­ilung. Die U-Haft wie im Amberger Fall werde mit Fluchtgefa­hr der Verdächtig­en begründet, „in unseren Augen ein allzu gängiges Stereotyp, das aber von der geläufigen politische­n Rhetorik gestützt wird“.

Einer der vier Flüchtling­e soll abgeschobe­n werden

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Michael Cerny

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