Augsburger Allgemeine (Land West)

Verblühend­e Landschaft­en

Rote Liste Mehr als 30 Prozent der Wildpflanz­en in Deutschlan­d sind vom Aussterben bedroht. Wie die Situation in Bayern aussieht und was Naturschüt­zer nun fordern

- VON STEPHANIE SARTOR Symbolfoto: Stephanie Millonig

Augsburg Das Flammen-Adonisrösc­hen hat es nicht leicht. Das Pflänzchen mit den orange-roten Blüten und dem auffällige­n schwarzen Fleck in der Mitte wird immer seltener. Die Situation ist so schlimm, dass die Blume auf der Roten Liste der gefährdete­n Pflanzen steht. Mit vielen Artgenosse­n. Insgesamt sind mehr als 30 Prozent der Wildpflanz­en in Deutschlan­d in ihrem Bestand gefährdet. Das geht aus der neuen Rote Liste hervor, die vor kurzem vom Bundesamt für Naturschut­z vorgestell­t wurde. Für insgesamt 8650 in Deutschlan­d heimische Farn- und Blütenpfla­nzen, Moose und Algen haben die Autoren der Studie die Bestandssi­tuation und das Ausmaß der Gefährdung ermittelt. Umweltschü­tzer betrachten das Ergebnis mit großer Sorge.

Für Richard Mergner, Vorsitzend­er des Bund Naturschut­z in Bayern, sind die Zahlen der Untersuchu­ng ein „Alarmsigna­l ersten Ranges“.

Die Pflanzen leiden unter den Stickoxide­n

Die neue Rote Liste gilt für ganz Deutschlan­d, bayerische Zahlen gibt es nicht. Mergner sagt aber: „Wir haben in Bayern dieselben Probleme. Einstige Allerwelts­blumen, aus denen man früher einen Blumenstra­uß machen konnte, sind nicht mehr da.“Hinzu kommt: Auch die Tierwelt leidet. 40 Prozent der Tiere in Bayern seien ausgestorb­en, verscholle­n oder sehr stark bedroht, sagt der Naturexper­te. Seine Schlussfol­gerung: „Wir müssen erheblich mehr für die Biodiversi­tät tun.“Es seien vor allem hohe Nährstoffb­elastungen, die vielen Wildpflanz­en zu schaffen machen. „Die Stickoxide entstehen durch den Verkehr, aber auch durch zu viel Düngung“, sagt Mergner. Ein weiteres Problem ist seiner Ansicht nach: „Die Landwirtsc­haft ist leider zur Intensivie­rung gezwungen, die Massenprod­uktion wird gefördert.“Durch Flurberein­igung würden die Felder immer größer, Wiesen und Hecken würden verschwind­en. „Das müssen wir zurückdreh­en“, fordert Mergner. „Wir brauchen Hecken und Grünstreif­en. Wir brauchen ein blühendes, lebendes Netz in der Agrarlands­chaft.“Zudem müsse der Chemieeins­atz reduziert werden. „Ackerwildk­räuter gibt es eben nicht mehr, wenn Glyphosat gespritzt wird.“

Peters, Sprecher des Bayerische­n Bauernverb­andes, findet es nicht richtig, die Schuld immer bei den Landwirten zu suchen. „Die Landwirtsc­haft als alleinigen Verursache­r hinzustell­en, wie es oft geschieht, halte ich für sehr gewagt“, sagt er. „50 Prozent der Stickstoff­verbindung­en kommen aus der Landwirtsc­haft. Der Rest aus anderen Bereichen, vor allem der Industrie.“Ihm gehe es nicht darum, von Problemen abzulenken, aber es gebe eben viele andere Faktoren für das Artensterb­en.

In den vergangene­n Jahren habe sich in der Landwirtsc­haft viel getan, um die negative Entwicklun­g zu stoppen, meint Peters. Mehr als in anderen Bereichen, sagt er. Seit 2015 müsse zum Beispiel jeder Bauer fünf Prozent seiner Fläche als ökologisch­e Vorrangflä­che zur Verfügung stellen. Hinzu komme der enorme Aufwind, den die BioLandwir­tschaft erfahre: „Bayern ist das Land mit den meisten Biobauern. Im nächsten Jahr werden wir die 10000er-Marke der Bio-Betriebe überschrei­ten“, sagt Peters. Allerdings müsse auch klar sein, dass auch ein Bio-Bauer einen Acker mit möglichst viel Getreide wolle – und nicht mit Unkraut. „Aber natürlich hat die Bio-Landwirtsc­haft Vorteile, keine Frage.“

In der Neuauflage der Roten Liste wird auch eine Gesamtbila­nz gezogen. Der zufolge sind 119 Pflanzenar­ten im Verlauf der vergangeMa­rkus nen 150 Jahre in Deutschlan­d ausgestorb­en oder verscholle­n. Die Studie zeigt aber auch, dass Umweltschu­tzmaßnahme­n durchaus wirken können. Bei 327 Farn- und Blütenpfla­nzen beispielsw­eise, die innerhalb der letzten rund 150 Jahre zurückging­en, konnte eine weitere Abnahme in den vergangene­n 20 Jahren aufgehalte­n werden. Bei 18 konnte sie sogar umgekehrt werden. Dies sei, so teilt es das Bundesamt für Naturschut­z mit, oft Artenhilfs­maßnahmen wie Ackerrands­treifen zu verdanken. Nicht jede Pflanze also, die derzeit auf der Rote Liste steht, wird verschwind­en. Viele aber schon. Zu welcher Gruppe wird wohl das Flammen-Adonisrösc­hen gehören?

Auf Deutschlan­ds Wiesen gibt es immer weniger Blumen.

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