Augsburger Allgemeine (Land West)

Wir reden ja nur von 64 Millionen Euro

- VON FLORIAN EISELE eisl@augsburger-allgemeine.de

Christian Pulisic hat in seiner noch jungen Karriere schon einige Rekorde geknackt, vornehmlic­h in seiner Heimat USA: Der 20-Jährige ist jüngster A-Nationalsp­ieler seines Landes, jüngster Kapitän, jüngster Sieger bei der Wahl zum US-Fußballer des Jahres.

Seit Mittwoch ist Pulisic auch der teuerste US-Kicker aller Zeiten: Für 64 Millionen Euro unterschri­eb der Mittelfeld­spieler von Borussia Dortmundbe­im FC Chelsea, das ihn prompt bis zum Ende der Saison noch an Dortmund verlieh.

Dieser Transfer ist bemerkensw­ert, weil Pulisic trotz aller Vorschussl­orbeeren aktuell vor allem eines ist: ein Ersatzspie­ler. Er kommt in der Hinrunde auf ein Tor und zwei Vorlagen in elf Spielen.

Das ist keine Statistik, die 64 Millionen Euro rechtferti­gen würde. Für Chelsea ist es zwar viel Geld, aber auch nicht besonders viel. Vor der Saison hatte sich der Klub für 80 Millionen Euro den spanischen Torwart Kepa geleistet. Wer weniger als 30 Millionen Euro kostet, gilt in England als Schnäppche­n. Diese Erfahrung musste der ehemalige FCA-Spieler Abdul Rahman Baba machen. Der wechselte 2015 für 20 Millionen Euro und fand sich bei Chelsea überwiegen­d auf der Tribüne wieder, bevor er wieder abgeschobe­n wurde.

Möglich macht diesen TransferIr­rsinn das Geld des russischen Besitzers Roman Abramowits­ch und der schier wahnwitzig­e TV-Vertrag, den die englische Liga abgeschlos­sen hat. Pro Saison überweisen die TV-Sender Sky und BT 5,75 Milliarden Euro an die Klubs der ersten Liga. Zum Vergleich: Für die Bundesliga gibt es pro Saison „nur“eine Milliarde Euro. Es sind Summen, die aberwitzig klingen. Dazu passt, dass selbst der jahrelang für seine konservati­ve TransferPo­litik bekannte FC Bayern offenbar bereit ist, 80 Millionen Euro für einen Spieler auszugeben.

Das Paradoxe daran: Fast alle sind sich einig, dass zu viel Geld in den Fußball gepumpt wird. Zugleich reagieren die TV-Sender mit den Unsummen auf die immer noch ungebremst­e Nachfrage der Zuschauer. Fußball im TV ist mehr denn je eine Quoten-Maschine.

Die Pointe in diesem Irrsinn gehört Maurizio Sarri. Der ist Trainer des FC Chelsea – und gab zu: „Der Klub hat mich vor gut einem Monat nach meiner Meinung über ihn gefragt, und sie war positiv.“Er habe zwar erfahren, dass der Deal abgeschlos­sen wurde. „Aber ich wusste davon nichts.“Wir reden ja nur von 64 Millionen Euro.

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Christian Pulisic
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