Augsburger Allgemeine (Land West)

Sex-Abenteuer entpuppt sich als Raubüberfa­ll

Justiz Ein Mann aus Baden-Württember­g wollte in Augsburg Fantasien ausleben – und wurde das Opfer von Kriminelle­n. Einem von ihnen wurde nun der Prozess gemacht. Dabei wurde klar: Der Täter war eher ein Mitläufer

- VON KLAUS UTZNI

Über eine Internetse­ite für erotische Dienstleis­tungen hatte der 44-Jährige aus dem Raum Stuttgart ein außergewöh­nliches homosexuel­les Abenteuer mit einem jungen Mann aus Augsburg gebucht. Für 150 Euro sollte er am Maifeierta­g nackt an einen Baum gebunden und dann befriedigt werden.

Was der Freier nicht ahnte: Der vereinbart­e Sex war eine Finte und entpuppte sich am Ende als hinterlist­iger Raubüberfa­ll, den ein 23 Jahre alter Mann ausgeheckt und organisier­t hatte. Ihm diente ein 20-Jähriger als „Lockvogel“, dem nun vor einem Jugendschö­ffengerich­t unter Vorsitz von Bernhard Kugler der Prozess gemacht wurde. Der eigentlich­e Haupttäter ist untergetau­cht. Er hat sich inzwischen offenbar in sein Heimatland, die Türkei, abgesetzt. Am Nachmittag des 1. Mai hatte sich der Freier mit nun Angeklagte­n in der Nähe der Wertachbrü­cke in Oberhausen getroffen. Er übergab dem 20-Jährigen wie vereinbart 150 Euro. Danach fuhr man in die Nähe des Zoos in den Siebentisc­hwald. Dort zog sich der Freier nackt aus, der Angeklagte begann, ihn an einem Baum festzubind­en.

Doch dann, wie ein Blitz aus heiterem Himmel, die böse Überraschu­ng: Aus einem Gebüsch sprang urplötzlic­h ein zweiter Mann mit einem Stock in der Hand heraus, der dem Opfer Schläge androhte. Und er machte dem Mann klar, dass er dessen sexuelle Neigungen öffentlich machen werde, falls er nicht weiteres Geld herausrück­e.

Aus dem Geldbeutel des völlig eingeschüc­hterten Opfers nahm der Räuber nun 500 Euro und 15 USDollar heraus. Damit nicht genug. Beide Täter zwangen den Freier, zu einer Bank in die Innenstadt zu fahren. Dort musste der Baden-Würt- temberger weitere 500 Euro abheben und sie den Tätern übergeben. Der nun Angeklagte erhielt von seinem Komplizen insgesamt 375 Euro als Beuteantei­l.

Noch am selben Tag ging das Opfer zur Polizei. Über eine Handynumme­r, eine E-Mail-Adresse und ein Foto aus der Internet-Kontaktanz­eige gelang es der Kripo nach einigen Wochen, den „Lockvogel“zu ermitteln. Der 20-Jährige legte sofort ein Geständnis ab. Er wurde einen Monat lang in Untersuchu­ngshaft genommen. Als die Kripo auch den eigentlich­en Haupttäter festnehmen wollte, war dieser spurlos verschwund­en. Inzwischen vermutet man, dass er sich in die Türkei abgesetzt hat. Gegen ihn ermittelt auch die Staatsanwa­ltschaft im badem den-württember­gischen Ellwangen wegen eines ähnlichen Raubüberfa­lles im Raum Heidenheim.

Staatsanwä­ltin Melanie Ostermeier wirft dem 20-jährigen „Lockvogel“nun im Prozess schweren Raub und schwere räuberisch­e Erpressung vor – zwei Delikte, die nach dem Erwachsene­nstrafrech­t mit Mindestfre­iheitsstra­fen von fünf Jahren bedroht sind. Sanktionen, die allerdings bei Anwendung des Jugendstra­frechts nicht greifen. Der Angeklagte (Verteidige­r: Florian Engert), nach Einschätzu­ng der Jugendgeri­chtshilfe introverti­ert, aber durchaus empathiefä­hig, gibt sich reumütig. „Ja, leider habe ich das getan“, wiederholt er sein Geständnis und erspart damit dem Opfer einen unangenehm­en Zeugenauft­ritt. Er habe sich halt von seinem Bekannten überreden lassen, es sei einzig um Geld gegangen. Er selbst sei gar nicht homosexuel­l veranlagt. Einen Entschuldi­gungsbrief an das Opfer habe er geschriebe­n, aber noch nicht abgeschick­t. „Er schämt sich, weil er nicht fehlerfrei schreiben kann“, begründet Anwalt Engert das Zögern. Für alle am Prozess Beteiligte­n wird klar, dass der Angeklagte eher als Mitläufer einzustufe­n ist. „Allein hätte er die Tat gar nicht auf die Reihe gebracht“, glaubt auch der ermittelnd­e Kripobeamt­e.

Auch wenn Staatsanwä­ltin Ostermeier und der Vorsitzend­e Richter Kugler die Tat als „Schwerstkr­iminalität“einstufen, bekommt der Angeklagte noch eine Chance: Er wird am Ende zu einer Jugendstra­fe von zwei Jahren auf Bewährung verurteilt, muss 80 Stunden soziale Hilfsdiens­te leisten und an einem Projekt mit dem Namen „Rubikon“des Vereins „Die Brücke“teilnehmen, bei dem Bewährungs­helfer und Pädagogen Hand in Hand arbeiten. Der Angeklagte nimmt das Urteil noch im Gerichtssa­al an.

Der Haupttäter hat sich wohl in die Türkei abgesetzt

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