Augsburger Allgemeine (Land West)

Die Kiefers legen die Wanderkart­e beiseite

Freizeit Die Ausflüge mit den Eheleuten sind legendär. Seit 1994 führen sie wöchentlic­h bis zu 70 Senioren sicher durch die heimischen Wälder und Gasthäuser. Jetzt geben sie das Amt an Gerhard Decker ab

- VON STEFANIE SCHOENE

Augsburg Alois und Maria Kiefer laufen. Schon seit 24 Jahren. Jeden Mittwoch, im Winter jeden zweiten, durchstrei­fen sie die Westlichen Wälder und haben für die jeweils zehn Kilometer bis zu 70 Wandergäst­e im Schlepptau. Auch das Allgäuer und das oberbayeri­sche Voralpenla­nd und Mittelfran­ken stehen auf ihrem akribisch vorbereite­ten halbjährli­chen Wanderplan, der von der städtische­n Fachstelle Seniorenar­beit unterstütz­t und veröffentl­icht wird. Die Vorwanderu­ngen, also Erkundungs­touren, bevor die große Gästetrupp­e mitgeht, eingerechn­et, hat das Ehepaar in den letzten 24 Jahren etwa 11 000 Kilometer laufend zurückgele­gt, wie Alois Kiefer, 87, vorrechnet.

Zwei dicke Ordner sind das Resultat ihres ehrenamtli­chen Wirkens, jeder Gang ist – inklusive der Anreisebes­chreibung und Einkehrmög­lichkeiten – handschrif­tlich dokumentie­rt. Ein Schatz, den die bei- den gerne ihren Nachfolger­n überlassen. Denn für Maria, 76, und Alois Kiefer ist jetzt Schluss. Sie reichen den Wanderstab weiter. „Es war eine ganz tolle Zeit, jederzeit würden wir das wieder machen. Aber ein Ende muss auch sein“, erklärt sie. Zwei Stunden Wandern vormittags, einkehren, eine einstündig­e Marscheinh­eit nachmittag­s – so lief das mittwochs bei den Kiefers. Sie kennen nicht nur die Westlichen Wälder, sondern auch die Gasthäuser Schwabens wie ihre Westentasc­he.

Zuletzt störten nur die Stadtwerke ihre gewohnte Routine. Denn die Abschaffun­g des Seniorenti­ckets für 27 Euro, mit dem die Teilnehmer ab 8 Uhr früh zum Ausgangspu­nkt kamen, zwang 2018 zum Umdenken. Denn das jetzige 30-Euro-Abo gilt erst ab 9 Uhr. Die Tarifrefor­m bringt die Wanderer bis heute in Wallung. „Für unser Angebot heißt das ja, dass wir auch die Strecken anpassen mussten, um rechtzeiti­g in der Gastwirtsc­haft zum Mittagesse­n anzukommen. Außerdem laufen bei uns viele arme Menschen mit, die auf jeden Cent schauen“, sagt Alois Kiefer.

Als der Postbeamte aus der Pferseer Straße 1994 in Pension ging, baute er das neue Wanderproj­ekt auf. Breitenspo­rt sollte es sein, für möglichst viele Senioren. Das war ihm wichtig. Von Anfang an setzten sie auf den Öffentlich­en Nahverkehr (ÖPNV). Wo der nicht hinfährt, wurde nicht gewandert. Nur zwei Mal im Jahr charterten die beiden einen Bus. Für besondere Ausflugzie­le. Zum Beispiel Garmisch 2015. „Das war unsere heißeste Tour, 38 Grad im Schatten, ein wenig gefährlich für unsere Wanderer“, erinnert sich Maria. Doch alles ging gut.

Ihre Teilnehmer sind eher älter als jünger. Alois Kiefer lacht: „Wenn bei uns jemand mit 65 mitläuft,

Ehepaar hat in 24 Jahren etwa 11 000 Kilometer laufend zurückgele­gt

Bei 38 Grad im Schatten ging es nach Garmisch

Mit der Trillerpfe­ife hielten sie die Gruppe zusammen

fällt er schon auf.“Während er vorne und seine Frau am Schluss jeweils mit Trillerpfe­ife läuft, um die Gruppe zusammenzu­halten, entstehen Freundscha­ften, sogar für Liebesanba­hnungen waren die Wanderunge­n schon gut. Kann man sich auch verlaufen? Ja, die Wege in den Westlichen Wäldern, vor allem zwischen Wellenburg und Anhausen, seien schlecht oder gar nicht ausgeschil­dert, kritisiert Alois Kiefer.

Aber verirrt habe er sich noch nie. Nur einmal, vor der A 8, an einer der während der Baustelle dort abgerissen­en Fußgängerq­uerungen. „Da war plötzlich nichts mehr, kein Weiterkomm­en“, erzählen die beiden. Und der Gasthof wartete hinter der Autobahn mit 70 vorbestell­ten Essen auf sie. Verzweifel­t riefen die Kiefers in der Seniorenfa­chstelle an. „Tatsächlic­h schickten die einen Bus, der uns aufsammelt­e“, erinnert sich Maria lachend.

Im Herbst 2018 wurden die beiden bereits mit einer großen Feier des Sport- und des Sozialrefe­rats im Augsburger Kolpingsaa­l verabschie­det. Das Frühjahrsp­rogramm 2019 läuft noch nach ihren Planungen, die Führungen selbst aber wird ab Januar Gerhard Decker übernehmen.

 ?? Foto: Annette Zoepf ?? Viele Jahre haben Maria und Alois Kiefer auf Wander- und Straßenkar­ten ihre Routen ausgetüfte­lt. Jetzt haben sie die Wanderunge­n der Seniorenfa­chstelle an einen Nachfolger übergeben.
Foto: Annette Zoepf Viele Jahre haben Maria und Alois Kiefer auf Wander- und Straßenkar­ten ihre Routen ausgetüfte­lt. Jetzt haben sie die Wanderunge­n der Seniorenfa­chstelle an einen Nachfolger übergeben.
 ?? Foto: M. Czysz ??
Foto: M. Czysz

Newspapers in German

Newspapers from Germany