Augsburger Allgemeine (Land West)

Sein Deutsch klingt nach Wagner

Porträt Der Bariton Wiard Witholt singt seit einem Jahr in Augsburg. Nun gibt er einen französisc­hen Liederaben­d, eine Verbeugung vor Paris, der Stadt, die ihn stark beeinfluss­t hat

- VON RICHARD MAYR

Ein bisschen Zeit muss sein, auch wenn dieser Liederaben­d für den Bariton Wiard Witholt mit viel Vorbereitu­ngsarbeit verbunden ist. Der 40-jährige Sänger, der in Holland geboren ist, überzeugt in Augsburg gerade als Papageno in der Zauberflöt­e-Inszenieru­ng des Staatsthea­ters. Dort auf der Bühne ist er ein Suchender. So weit ist er damit von seinem Liederaben­d-Programm gar nicht entfernt, erzählt Witholt, wiewohl es Unterschie­de gebe. In der „Zauberflöt­e“singt er auf Deutsch, im Liederaben­d ausschließ­lich auf Französisc­h. „Es sind Lieder, die von der Suche des Menschen handeln“, sagt Witholt. Der Mensch als das Wesen, das sich erst finden muss, das sich auch neu erfinden kann. Und wenn Witholt dann von sich erzählt, ist auch zu hören, dass das natürlich auch für ihn gilt, etwa in dem Moment, als sich ihm eine unglaublic­he Aussicht auf einen großen Karrieresp­rung bot, der sich von einem Moment auf den anderen aber wieder zerschlage­n hat.

Das war zu der Zeit, als Witholt in Paris im Opernstudi­o war. Er ein junger Sänger in Ausbildung, der dort alles aufsog, was das Haus ihm bot. So gerne Witholt selbst singt, so sehr liebt er auch als Zuhörer die Musik. Die Oper in Paris bot ihm dafür beste Voraussetz­ungen, eine Zeit, die unglaublic­h intensiv, wichtig und prägend für Witholt war, wie er erzählt.

Damals zum Beispiel lernte er seinen Lebensgefä­hrten Alejandro Marco-Buhrmester kennen, der ebenfalls am Staatsthea­ter Augsburg engagiert ist. Getroffen haben sich beide auch deshalb, weil Witholt ein passionier­ter Wagner-Liebhaber war und ist. Früher in seinen Jugendtage­n zum Beispiel hatte er Zeitungen ausgetrage­n und die hundert Gulden im Monat immer sofort in neuen Schallplat­ten angelegt, zum Beispiel Wagner-Aufnahmen.

Als nun an der Pariser Oper „Parsifal“gegeben wurde, musste sich Witholt das selbstvers­tändlich ansehen. „Alex sang darin Amfortas“, erzählt Witholt. Alex, das ist Alejandro Marco-Buhrmester, der wiederum ein Faible für Barock-Opern hat, und sich deshalb in Paris Purcells „Dido und Aeneas“ansah, die Oper, in der damals Witholt als Hexe zu sehen war. Wenig später setzte die gemeinsame Geschichte von Witholt und Marco-Buhrmester ein. Und Marco-Buhrmester fiel sofort dieses komische, antiquiert­e Deutsch auf, das Witholt sprach: „Du sprichst wie Wagner“, bekam er zu hören. Womit wiederum deutlich wurde, wie groß der Einfluss war, den die großen Wagner-Werke auf Witholt hatten.

Operninten­dant war damals Gerard Mortier, von dem Witholt auch heute noch sofort ins Schwärmen kommt. Irgendwann sei dem Intendante­n aufgefalle­n, dass Witholt jede freie Minute im Pariser Opernhaus verbrachte, sich dort alles ansah, solange er nicht selbst üben und auftreten musste. Das führte zu einer spontanen Einladung zum Essen. Dort wollte der Intendant von dem angehenden Sänger wissen, was er über die Oper in Paris dachte, welche Ideen er hatte, wie er Kollegen einschätzt­e. Mortier hörte dem angehenden Sänger zu.

Mortier sollte damals die Oper in New York übernehmen. Zwei Jahre lang bereitete dieser sich akribisch darauf vor. Er fragte Witholt, ob er sich vorstellen könne, dort zum Ensemble zu gehören. Was für eine Aussicht! „Aber dann kam die Finanzkris­e“, erzählt Witholt. Mortier verzichtet­e auf die Stelle, weil dort stark gespart werden musste. Er ging stattdesse­n nach Madrid, hatte dort aber kein festes Ensemble mehr. „Für eine Aufführung verpflicht­ete Mortier Alex und mich in Madrid.“Aber der New-York-Plan hatte sich zerschlage­n und Witholt musste wieder suchen.

Sein Weg hat ihn nicht in den Westen über den Ozean in die USA, sondern in den Osten geführt, er wurde von André Bücker als Ensemblemi­tglied für das Anhaltisch­e Theater in Dessau verpflicht­et. Daneben führten ihn Gast-Engagement­s nach Lüttich, Straßburg und nach München an die Staatsoper.

Und jetzt, also seit mehr als einem Jahr, Augsburg. „Es trieb uns beide in den Süden“, sagt Witholt. „Augsburg war eine gute Entscheidu­ng.“An Umziehen möchte Witholt überhaupt nicht mehr denken. Er ist heilfroh, dass jetzt für alles ein Platz gefunden ist, etwa die umfangreic­he CD-Sammlung.

Die Zeit in Paris hat Witholt aber nicht vergessen. Auch deshalb gibt Witholt am Freitag, 11. Januar, einen französisc­hen Liederaben­d, auf den er sich akribisch vorbereite­t hat. „Ich möchte da nicht einen Zyklus wie die Winterreis­e singen, ich möchte etwas Persönlich­es vortragen.“Stücke, die ihn schon lange beschäftig­en, und Werke, die er in einen raffiniert­en Bezugsrahm­en setzt. Denn in diesem Liederaben­d hat er nicht nur Lieder zusammenge­stellt, die ihm gut gefallen, sondern die gleichzeit­ig in einem eigenen Bezugsrahm­en zueinander­stehen. Im ersten Teil – Witholt nennt

es den „Nachtteil“– steht das Verlaine-Gedicht „Claire de Lune“in Fauré-, Diepenbroc­k- und Debussy-Vertonunge­n im Mittelpunk­t, im zweiten Teil, dem „Tagteil“, bekommt der Mensch einen tierischen Spiegel vorgehalte­n. Witholt hat traurige und komödianti­sche Musik ausgewählt, Gegensätzl­iches, das für ihn eine Einheit gibt: „Das Yinund-Yang-Prinzip“, sagt er. Damit das Publikum alles versteht, hat er eine Übersetzun­g aller Lieder in Auftrag gegeben, die im Programmhe­ft zu finden sein wird. Der Pianist Ted Ganger wird vor den Stücken kurze Einführung­en geben. Witholt möchte die Barrieren für das Publikum so niedrig wie möglich halten.

Was er sich wünscht für diesen Abend? – „Publikum!“

OKonzert Der Liederaben­d mit Wiard Witholt und Ted Ganger (Klavier) findet am Freitag, 11. Januar, um 19.30 Uhr im Rokokosaal der Regierung von Schwaben in Augsburg statt. Karten gibt es im Besucherse­rvice des Theaters am Rathauspla­tz, telefonisc­h zu erreichen unter 0821/324 49 00.

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Fotos: Jan-Pieter Fuhr Der Bariton Wiard Witholt gehört seit 2017 zum Augsburger Opernensem­ble. Er ist zurzeit in „Dalibor“(links oben) und „Die Zauberflöt­e“(rechts oben) zu sehen, vergangene Spielzeit sang er u. a. in „Solaris“(rechts unten).
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