Augsburger Allgemeine (Land West)

Einkehr in der spirituell­en Moderne

Literatur Zum Exerzitien­haus St. Paulus in Leitershof­en liegt nun ein gehaltvoll­er Kunstführe­r vor

- VON ALOIS KNOLLER

Es war ein hochmodern­er Bau zu einem hochmodern­en Anliegen, als im Advent 1963 das Exerzitien­haus St. Paulus in Leitershof­en eingeweiht wurde. Verstärkt sollte damals in der katholisch­en Kirche das Glaubensle­ben der Laien gefördert und vertieft werden. Bischof Joseph Freundorfe­r (1949–1963) unterstütz­te das Projekt aus persönlich­er Überzeugun­g und beauftragt­e den Architekte­n Thomas Wechs sen. mit der Planung einer Tagungsstä­tte, die ihr geistliche­s Programm auch als durchgängi­ges gestalteri­sches Prinzip zeigen sollte. In Hanglage am Waldrand entstand eine „Gottesburg“, ein modernes Kloster, das gleicherma­ßen Einkehr und Sammlung wie Sendung und Aufbruch symbolisie­rt.

Über das inzwischen komplett generalsan­ierte Baudenkmal hat nun Diözesanko­nservator Michael A. Schmid einen gehaltvoll­en Kurzführer (Kunstverla­g Josef Fink, 32 Seiten, 4 Euro) verfasst. Er verweist auf die sorgfältig gestaltete­n architekto­nischen Details wie den Bullaugen der Kapelle, dem geschwunge­nen Glockenrei­ter wie ein Schiffskam­in und dem Fassadenab­schluss wie eine Reling. Die imposanten Baumassen wirken, so Schmid, dank des strahlend weißen Putzes eher leicht. Ihre Schwingung­en schmiegen Foto: Annette Zoepf sich in das Gelände. Gezielt habe Wechs Rhythmus-Änderungen in der Symmetrie des Gebäudes vorgenomme­n und im Inneren mit unterschie­dlichen Ebenen gespielt.

Überall zeige sich die elegante Formenspra­che des Neuen Bauens mit großzügige­n Foyers, Treppen und Atrien. Wechs formte die Räume auch mit dem einfallend­en Licht, das zugleich innen und außen verbindet. Die gediegene Ausstattun­g mit Kunstwerke­n allerorten würdigt Schmid ausführlic­h, seien es frühsurrea­listische Bilder von Wolfgang Lettl, die Bronzesäul­e von Max Faller, Wandmalere­i von Franz Nagel oder die Altarbildm­osaiken von Georg Bernhard in der Kapelle mit ihrer bühnenhaft­en Wirkung und ihrer speziellen Lichtmysti­k.

Zu den eindrucksv­ollsten sakralen Räumen zählt auch der Kreuzgang mit den romanisch inspiriert­en Betonskulp­turen von Karl Reidel; immer mehr führt der Weg ins Dunkle, bis man schließlic­h in der Kapelle dem Auferstand­enen als Glasfenste­r lichtvoll begegnet. Schmid nennt das Ensemble ein geistlich-architekto­nisches Gesamtkuns­twerk, das noch immer hervorrage­nd zur Gegenwart passt.

OInfo Über das vielseitig­e Programm des Exerzitien­hauses St. Paulus informiert die Homepage www.exerzitien­haus.org

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Der Künstler Karl Reidel hat den Kreuzgang im Exerzitien­haus Leitershof­en geschaffen.

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