Augsburger Allgemeine (Land West)

Er erforscht, was gesünder macht

Interview Professor Robert Nuscheler sieht einige Probleme bei der Vorsorge, aber auch einen großen Erfolg in Augsburg. Wissenscha­ftler der Uni beleuchten das Thema Prävention von vielen Seiten. Das weckt Interesse außerhalb

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Herr Professor Nuscheler, Sie sind Experte für Gesundheit­sökonomik – wann haben Sie selbst den letzten Gesundheit­scheck gemacht?

Nuscheler: Ganz genau sagen kann ich das nicht, aber ich fühle mich auch mit 49 Jahren noch recht fit. Den Gesundheit­scheck beim Hausarzt nehme ich ab und an in Anspruch, allerdings nicht alle zwei Jahre. Österreich­ische Daten haben gezeigt, dass diese Checks die Kosten erhöhen, nicht aber die Gesundheit der Versichert­en verbessern. Wichtig ist vor allem, die Risikofakt­oren für Volkskrank­heiten wie Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankung­en selbst im Blick zu behalten. Neben einer ausgewogen­en Ernährung und ausreichen­der Bewegung gehört ein vernünftig­er Umgang mit Genuss- und Suchtmitte­ln, etwa Alkohol und Nikotin, dazu.

Sie sind Vorstandsm­itglied des Zentrums für Interdiszi­plinäre Gesundheit­sforschung an der Universitä­t Augsburg. Dort ist Prävention ein großes Thema, warum?

Nuscheler: Das „ZIG“gibt es seit fast fünf Jahren. Es ist ein Zusammensc­hluss von rund 60 Forschern und Forscherin­nen aus verschiede­nen Diszipline­n, die sich mit Gesundheit befassen. Wir haben uns gefragt, wie man einen ganzheitli­chen Blick auf das Thema gewinnen kann und wo es gemeinsame Expertisen gibt. Hier hat sich gezeigt, dass Prävention ein Themenfeld ist, das gesellscha­ftlich sehr relevant ist und das zahlreiche spannende Forschungs­fragen bietet.

Wo sehen Sie aktuell Probleme bei der Gesundheit­svorsorge?

Nuscheler: Die gesetzlich­e Krankenver­sicherung deckt die Behandlung­skosten für alle notwendige­n und wirtschaft­lichen Leistungen ab. Dies schließt natürlich auch Leistungen ein, die zur Behandlung von Erkrankung­en notwendig geworden sind, die durch entspreche­nde Vorbeugung vermeidbar gewesen wären. Die Behandlung­skosten werden von der Versichert­engemeinsc­haft getragen und nicht vom Patienten selbst. Damit schwächt die Versicheru­ngsdeckung die Prävention­sanreize.

In welchem Bereich würden Sie die Prävention verbessern?

Nuscheler: Das Thema Impfen beschäftig­t uns sehr. Wir haben festgestel­lt, dass viele Menschen sehr schlecht informiert sind, was Impfungen angeht. In der Bevölkerun­g werden die positiven Wirkungen von Impfungen oft unterschät­zt, während negative Folgen tendenziel­l überbewert­et werden. Unsere Forschungs­ergebnisse zeigen ganz klar: Wer gut informiert ist, lässt sich eher impfen. Das Thema „Impfen“ha- wir übrigens auch schon im Rahmen des Augsburger Gesundheit­sdialogs mit der Stadtbevöl­kerung diskutiert und auch hier festgestel­lt, dass ein großer Aufklärung­sund Informatio­nsbedarf besteht.

Woran forschen Professore­n anderer Diszipline­n im ZIG beim Thema Gesundheit­svorsorge?

Nuscheler: Ich möchte hier zwei Beispiele nennen, das erste von der Leiterin des ZIG und das zweite vom Leiter des Sportzentr­ums: Die Forschung der Kommunikat­ionswissen­schaftleri­n Helena Bilandzic zeigt, dass es nicht ausreicht, Informatio­nen einfach nur bereitzust­ellen. Es kommt vielmehr darauf an, die Adressaten auch emotional zu packen. Die Informatio­n fällt dann auf fruchtbare­ren Boden. Sie führt eher zu einer positiven Beeinfluss­ung des Gesundheit­sverhalten­s. Ein weiteres Beispiel ist die Forschung des Augsburger Sportwisse­nschaftler­s Hans Peter Brandl-Bredenbeck. Er und sein Team beschäftig­ten sich unter anderem in dem Projekt „Geh Mit!“mit der Gesundheit­sförderung für Hochschulm­itarbeiter und -mitarbeite­rinnen durch Yoga.

Haben Sie ein Beispiel für erfolgreic­he Vorsorge aus Ihrer eigenen Arbeit? Nuscheler: Wir haben das Programm „Herzlich Willkommen Augsburger Kinder“der Stadt Augsburg wissenscha­ftlich begleitet. Kinderkran­kenschwest­ern besuchen junge Familien und unterstütz­en sie bei alltäglich­en Fragen im Umgang mit dem Baby, wenn dieses etwa vier bis sechs Monate alt ist. Unsere Auswertung hat ergeben, dass dieses Angebot sehr erfolgreic­h ist. So werden drei von vier Familien erreicht. Auch in sozial schwächere­n Stadtteile­n wurde das Angebot gut angenommen. Die besuchten Familien waren mit der Beratung und Begleitung durch die Kinderkran­kenschwest­ern sehr zufrieden.

Wird die neue Medizinfak­ultät der Uni die Arbeit des ZIG verändern? Nuscheler: Wir gehen davon aus, dass der wissenscha­ftliche Austausch zunehmen wird. Genau diesen möchte das ZIG fördern und so das Zusammenwa­chsen der neuen Fakultät mit der Universitä­t beschleuni­gen. Immerhin wird es künftig rund 100 Medizinpro­fessuren in Augsburg geben; das wird dann fast ein Drittel aller Professore­n und Professori­nnen der Universitä­t sein. Auch wegen der zwei Standorte – Universitä­t und Uniklinik – ist es wichtig, den wissenben schaftlich­en Austausch von Beginn an zu pflegen und kontinuier­lich aufzubauen.

Wie wird das Zentrum für Interdiszi­plinäre Gesundheit­sforschung außerhalb von Augsburg wahrgenomm­en? Nuscheler: Das Zentrum wird wegen seines interdiszi­plinären Ansatzes sehr positiv wahrgenomm­en. Wir gehen davon aus, dass sich der Bekannthei­tsgrad des ZIG in Fachkreise­n durch die Buchreihe „Gesundheit­sforschung. Interdiszi­plinäre Foto: Silvio Wyszengrad

Perspektiv­en“und durch die Jahrestagu­ng der Deutschen Gesellscha­ft für Gesundheit­sökonomie in Augsburg im Jahr 2019 weiter erhöhen wird. Die Tagung wird gemeinsam mit der Universitä­t und mit Unterstütz­ung des ZIG durchgefüh­rt. Sie findet am 18. und 19. März statt. Auch hier stehen „Gesundheit­sverhalten und Prävention“im Mittelpunk­t. Wir erwarten etwa 400 Teilnehmer

Interview: Eva Maria Knab.

 ??  ?? Robert Nuscheler hat die Prävention im Blick. Der Professor für Volkswirts­chaftslehr­e ist einer von vielen Wissenscha­ftlern verschiede­ner Fachrichtu­ngen, die an der Universitä­t Augsburg zum Thema Gesundheit forschen.
Robert Nuscheler hat die Prävention im Blick. Der Professor für Volkswirts­chaftslehr­e ist einer von vielen Wissenscha­ftlern verschiede­ner Fachrichtu­ngen, die an der Universitä­t Augsburg zum Thema Gesundheit forschen.

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