Augsburger Allgemeine (Land West)

Fehlen bald Wohnungen für alte Menschen?

Studie Für viele künftige Senioren wird es eng: Sie bekommen weniger Rente, aber die Mieten steigen weiter. Und es fehlt das Geld für altersgere­chte Umbauten. Warum Experten darin ein neues soziales Problem sehen

-

München Eine altersgere­chte und bezahlbare Wohnung zu finden – das könnte bald für Millionen Rentner zum Problem werden: Darin sind sich Wirtschaft­sforscher, Sozialexpe­rten und die Bauwirtsch­aft einig. Denn die geburtenst­arken Jahrgänge gehen demnächst in Rente. „Eine ganze Generation mit deutlich niedrigere­n Renten trifft dann auf steigende Wohnkosten“, sagt Matthias Günther vom Pestel-Institut in Hannover. „Deutschlan­d steuert sehenden Auges auf die ,Graue Wohnungsno­t‘ zu“.

„Nur fünf Prozent aller Älteren leben in altersgere­chten Wohnungen“, sagt Verena Bentele, die Präsidenti­n des Sozialverb­andes VdK, Schon heute sei es für viele Rentner schwer, höhere Mieten zu zahlen. „Schon jetzt ist die Hälfte der 592000 Wohngeldbe­zieher älter als 65.“Die Zahl der Senioren wird von heute knapp 18 Millionen bis zum Jahr 2040 auf etwa 24 Millionen steigen – und diese werden von deutlich weniger Rente leben müssen, rechnet das Pestel-Institut in einer neuen Studie vor. Der Anteil der Senioren, die ergänzende Grundsiche­rung brauchen, dürfte von heute drei auf über 25 Prozent steigen. Kurz: Jedem vierten Rentner droht Altersarmu­t.

Ein Senior wohnt heute im Durchschni­tt auf 59 Quadratmet­ern, ein durchschni­ttlicher Bundesbürg­er auf 46. Dabei geht es in den Städten eng zu: Jeder neunte Einwohner dort lebe in einer überbelegt­en Wohnung, teilt das Statistisc­he Bundesamt mit. Überbelegt heißt zum Beispiel, dass sich drei Kinder ein Kinderzimm­er teilen oder Eltern das Wohnzimmer auch als Schlafzimm­er nutzen. Viele Senioren aber bleiben weiter in der vertrauten Wohnung, auch nachdem die Kinder ausgezogen sind oder der Partner verstorben ist. Gerade in Groß- und Universitä­tsstädten aber seien sie es, die „am stärksten unter Mietsteige­rungen ächzen“, sagt Ulrich Ropertz vom Deutschen Mieterbund. Eine einfache Lösung scheint also der Umzug in eine kleinere Wohnung zu sein. Nur, wohin umziehen? Oft scheitert das an den Mietkosten. „In der Regel finden sie keine kleinere Wohnung für eine niedrigere Miete“, sagt Günther.

Mit einzelnen Projekten und Hilfen versuchten kommunale, private und genossensc­haftliche Wohnungstr­äger, Rentnern einen Umzug im Ort schmackhaf­t zu machen. Aber das Echo ist sehr zögerlich. Denn alte Menschen „hängen oft an der Wohnung, in der sie Jahrzehnte gelebt haben, an der Umgebung, wo sie verankert sind“, sagt Ropertz.

Nicht nur die Miete, sondern auch ein altersgere­chter Umbau der Wohnung wird für eine wachsende Zahl von Rentnern kaum bezahlbar sein. Zahlt der Vermieter, kann er die Kosten als Modernisie­rung auf die Miete umlegen. Ein Aufzug im Haus kann da teuer werden.

Im Schnitt 16 000 Euro kostet es, eine Wohnung barrierear­m umzubauen, heißt es in der Pestel-Studie. Wenn die Senioren dann weniger unfallgefä­hrdet wohnen und länger zu Hause leben können, mache sich das aber rasch auch für die Gesellscha­ft bezahlt: Ein Platz im Pflegeheim koste pro Jahr 8500 Euro mehr als eine ambulante Pflege.

Drei Millionen Wohnungen müssten bis 2030 zusätzlich altersgere­cht neu oder umgebaut werden, sagt Günther. Das koste 50 Milliarden Euro. Mit staatliche­n Zuschüssen von sechs Milliarden Euro ließe sich das stemmen. Der Bundesverb­and Deutscher Baustoff-Fachhandel, der die Studie in Auftrag gab und sie mit Günther auf der BAUMesse in München vorstellte, hofft auf Aufträge. Roland Losch, dpa

Die steigenden Mieten werden für immer mehr ältere Menschen zum Problem.

 ?? Foto: Ulrich Wagner ??
Foto: Ulrich Wagner

Newspapers in German

Newspapers from Germany