Augsburger Allgemeine (Land West)

Mit diesem Blech hat man seinen Spaß

Porträt Das Bläserense­mble Brasspur ist eine Institutio­n im Augsburger Konzertleb­en – auch deshalb, weil die Musiker keine Scheu vor Publikumsn­ähe haben. Angefangen hat das Quintett einst unter einem anderen Namen

- VON OLIVER WOLFF

„Mit 35 Jahren ist noch lange nicht Schluss“, singt das Blechbläse­rquintett Brasspur am Ende seiner Zugabe, einer Hommage an Udo Jürgens, während das Publikum begeistert mitschunke­lt und klatscht. Seit 1984 gibt es das Quintett, damals traten die Musiker noch unter dem Namen Augsburger Blechbläse­rquintett auf. Am Wochenende nun spielte Brasspur, das „pure Blech“, zwei Neujahrsko­nzerte im ausverkauf­ten Kleinen Goldenen Saal. Doch nicht nur für das Augsburger Publikum ist die Musikergru­ppe, welche aus zwei Trompetern und jeweils einem Hornisten, Posauniste­n und Tubisten besteht, eine Institutio­n.

Begonnen hat alles am damaligen Augsburger Leopold-Mozart-Konservato­rium, welches heute an die Universitä­t Augsburg angegliede­rt ist. Fünf Musikstude­nten gründeten das Blechblas-Ensemble, mehr aus einer Laune heraus und ohne festes Ziel. Dass sie später auch internatio­nal auftreten würden, war damals noch nicht abzusehen. Posaunist Harald Bschorr – neben dem Trompeter Stefan Wiedemann heute das einzige im Quintett verblieben­e Gründungsm­itglied – blickt schmunzeln­d zurück: „Unser erster Auftritt war im Blauen Salon im alten Hauptkrank­enhaus. Da haben wir eher schwere Kost gespielt, viel Kontrapunk­tisches von Bach.“Dass die Musiker damals für ein Meeting einer anonymen Selbsthilf­egruppe in einer schwierige­n Lebenslage gebucht worden sind, wurde ihnen erst später bewusst.

Dies war wohl gleich zu Beginn das Schlüssele­rlebnis, dass sie zukünftig anders sein wollten als andere. Zwar spielt Brasspur heute leichte, beschwingt­e Musik, doch immer noch mit einem hohen künstleris­chen Anspruch. Nicht verwunderl­ich, denn alle Mitglieder sind Berufsmusi­ker. Harald Bschorr etwa ist heute Dozent an der Musikhoch- schule Nürnberg und Soloposaun­ist der dortigen Staatsphil­harmonie, in den Neunzigern war er acht Jahre lang Soloposaun­ist bei den Augsburger Philharmon­ikern. Die anderen, Trompeter Martin Ehlich und Stefan Wiedemann, Hornist Evgeni Trambev und Tubist Herbert Hornig, spielen derzeit alle im Polizeiorc­hester Bayern. Die Gruppe scheint nur auf den ersten Blick akademisch zu wirken. Auf der Bühne zeigen sich die Musiker publikumsn­ah mit vielen Gags und Comedy-Einlagen und sorgen so für ausverkauf­te Konzertsäl­e.

Einen Karrieresc­hub habe der Gruppe die 2000-Jahr-Feier der Stadt Augsburg verliehen, erzählt Ensemble-Gründer Bschorr, als Brasspur für viele offizielle Veran- staltungen engagiert worden sei – und das bereits ein Jahr nach der Gründung. Bald folgten Tonträger, damals noch Schallplat­ten, und Konzertrei­sen in die weite Welt. Das Quintett reiste nach Südamerika oder besuchte in Japan Augsburgs Partnerstä­dte Nagahama und Amagasaki. Die internatio­nalen Tourneen waren dann auch der Grund, warum sich das Ensemble nicht mehr Augsburger Blechbläse­rquintett nennen mochte. „Im Ausland hat keiner unseren Namen verstanden“, erklärt Bschorr. Brasspur sehe sich heute als überregion­ales Quintett, habe aber nie den Bezug zur Heimat Augsburg verloren. So hat das Ensemble etwa extra ein Brecht-Programm entworfen und mit Schauspiel­ern besetzt.

Man kann Brasspur nicht in eine Schublade legen, dafür sind die Musiker zu breit aufgestell­t. Von Bach bis Blues lautet ihr Motto. Dabei verwende man keine Arrangemen­ts von der Stange, verrät Bschorr, sondern schreibe sie selbst, maßgeschne­idert auf die Stärken der jeweiligen Musiker. Und davon gibt es einige, wie am vergangene­n Wochenende das Augsburger Publikum wie jedes Jahr zum Jahreswech­sel bestaunen konnte. Nicht nur der Name des Konzerts („Champagner­laune“) war Programm: Neben Klassikern wie der „Champagner­Polka“oder dem „RadetzkyMa­rsch“wurde auch hochanspru­chsvoll Virtuoses vorgeführt, spielerisc­h und ohne mit den Wimpern zu zucken. Variatione­n von Jean-Baptiste Arbans „Karneval von Venedig“meisterte Trompeter Ehlich zusammen mit Hornig an der Tuba atemberaub­end.

Hornist Evgeni Trambev verwandelt­e seine Solostelle­n bei Vittorio Montis „Csárdás“mit unglaublic­her Leichtigke­it im Tonansatz treffsiche­r. Harald Bschorr hatte auch das eine oder andere Solo und beeindruck­te mit Musikalitä­t und variantenr­eicher Tonerzeugu­ng. Und Stefan Wiedemann war mit seinem angerauten Klang im Trompetens­piel für die Jazzsolos zuständig. Das kongeniale Quintett bot eine bunte Mischung von Leopold Mozart bis Lady Gaga – ein Programm, das bereits jetzt Vorfreude auf das nächste Neujahrsko­nzert von Brasspur macht.

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Foto: Wolfgang Diekamp Die dunkle Kleidung täuscht: Bei den Konzerten von Brasspur geht es vielmehr locker zur Sache..

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