Augsburger Allgemeine (Land West)
Ein neues Buch erzählt vom Leben am Lech
Bildband Bei Hochschulprojekt kommen Menschen aus der Region vor, die vom Fluss geprägt wurden
Landsberg/Augsburg Einst war der Lech ein sich immer wieder verändernder Gebirgsfluss – bis ihm der Hochwasserschutz und die Nutzung der Wasserkraft seine Wildheit nahmen. Seit 2013 beschäftigen sich Studierende der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde mit den Landschaften am Lech. So interviewten zwölf Studenten Menschen am Lech, unter anderem Anton Lichtenstern und Franz-Xaver Rößle aus Landsberg sowie Rennwart und Hartmut Freiherren von Schnurbein aus Hurlach.
Denn ohne die in einer Landschaft agierenden Menschen sei Landschaft nicht zu verstehen, heißt es im Vorwort der Professorin Uta Steinhardt. „Landschaftskommunikation“nenne sich diese Herangehensweise, die das Erfahrungswissen des Menschen miteinbezieht. Herausgegeben vom Verein „Lebensraum Lechtal“ist aus diesen Gesprächen ein Bildband entstanden, der den Weg des Lechs nachzeichnet und dank der Erinnerungen der Befragten davon erzählt, wie er einst war. Die Fotos stammen vom Finninger Fotografen Detlef Fiebrandt, die Textredaktion hatte Harald Jungbold. Ein Glossar informiert über Fachbegriffe.
Der Fluss suchte sich früher bei Hochwasser einen breiten Weg durch die Landschaft. Diese Dynamik und die Materialien, die er transportierte, gestalteten die unterschiedlichsten Lebensräume. Die Kraftwerke und der Forggensee als großer Stausee haben diese Dynamik gestoppt und spezialisierten Arten fehlen jetzt diese Lebensräume wie beispielsweise Kiesbänke. Dies erläutert der Gebietsbetreuer vom Verein Lebensraum Lechtal, Stephan Jüstl, in seiner Einführung. Dann kommen die Menschen zu Wort – zuerst Bergbauern und Umweltaktivisten am Tiroler Lech, der vor derartiger Verbauung bewahrt und 2004 zum Naturpark wurde.
Von ihrem Kampf ums Lechwehr, an dem in den 1980er-Jahren ein Kraftwerk gebaut werden sollte, erzählen der ehemalige Oberbürgermeister Franz-Xaver Rößle, Jahrgang 1947, und der frühere Stadtheimatpfleger und Stadtrat Anton Lichtenstern, Jahrgang 1938. Sie berichten aber auch von der Freizeit am Lech, den Spielen im wilden Dickicht von „Sulz“, „Dschungel“und „Kongo“sowie vom Inselbad weist auch Jüstl in seinem Vorwort.
Im Fundus der Familie von Schnurbein finden sich über 100 Jahre alte Aufnahmen vom unverbauten Lech, darunter ein Foto der Großmutter und des Vaters von Rennwart und Hartmut von Schurbein am Hurlacher Lechufer 1907. Die Tuffabbrüche, die beide noch als
Kinder kannten, liegen längst unter der Wasseroberfläche des Stausees, der dort 1976 entstand. „Die Erinnerung daran, dass diese Wildheit unwiederbringlich verloren gegangen ist, schmerzt uns alle wirklich sehr“, sagen beide.
Mit dem Augsburger Eberhard Pfeuffer, dem Vorsitzenden des naturwissenschaftlichen Vereins Schwaben, kommt ein Naturschützer und Experte zu Wort. Als er nach Augsburg zog, rüttelte ihn der Bau der Staustufe 18 auf.
Eins ist vielen dieser Geschichten gemeinsam: Sie erzählen von harten und entbehrungsreichen Zeiten, in denen oft auch die Kinder mitarbeiten mussten. Sie erzählen aber auch von einer Kindheit draußen in der Natur, jenseits der Kontrolle von Erwachsenen an den Ufern des Lechs, der damals noch ein anderes Gesicht hatte. Der unter anderem von Bundesumweltministerium geförderte Band macht Lust darauf, auch das andere, noch ursprünglichere Gesicht dieses Flusses auf der Tiroler Seite kennenzulernen.
ⓘ
Buch „Vom Lech, Zeitzeugen erzählen“ist im Finninger Lechrain Verlag erschienen und kostet 35 Euro. ISBN 9783942985260