Augsburger Allgemeine (Land West)

Im Saalbau gehen die Lichter aus

Wirtin Jasmin Schmid konzentrie­rt sich jetzt auf die traditione­lle Dorfgastst­ätte in Täfertinge­n. Was die Gründe für die Entscheidu­ng der Wirtsfamil­ie sind

- VON PETRA KRAUSS-STELZER

Täfertinge­n Hier wurde getanzt, was das Zeug hält. Hier wurden viele zarte Bande geknüpft; nicht wenige lernten hier den Mann/die Frau fürs Leben kennen. Weihnachts­feiern, Faschingsb­älle für Jung und Alt, Hochzeitsf­este, Beerdigung­en, politische Versammlun­gen, große Familienfe­ste von Türken, und ganz früher noch Feste amerikanis­cher Soldaten.

Das Geschäft brummte im Saalbau Schmid, die Terminbüch­er waren voll, erinnert sich der Täfertinge­r Gastwirt Anton Schmid, der 2011 den Wirtschaft­sbetrieb an seine Tochter Jasmin Schmid übergeben hat. Die Zeiten aber änderten sich. Und im August 2019 soll der Saal, in dem Anton Schmid bei bestimmten Veranstalt­ungen bis zu 350 Gäste untergebra­cht hatte, definitiv geschlosse­n werden.

Ende Februar geht der legendäre Faschingsb­all, der Weiberfasc­hing, im Saalbau und allen anderen Gasträumen noch in die letzte Runde, im Sommer gibt es noch eine Hochzeit, dann ist Schluss, sagt Jasmin Schmid. „Der Saal ist zu kosteninte­nsiv, das alte Gebäude insgesamt renovierun­gsbedürfti­g.“Deshalb haben sich die 33-jährige Hotelfachf­rau und ihr Lebensgefä­hrte Matthias Kaiser entschloss­en, den Focus auf den Erhalt der Gastwirtsc­haft und des Haupthause­s zu legen. Der Saal könnte als Lager oder für Stellplätz­e vermietet werden, so die ersten Überlegung­en.

Eine große Aufgabe für die junge Frau, die unter anderem in der Schweiz gearbeitet hatte und sich dann für den Weiterbetr­ieb des elterliche­n Anwesens entschiede­n hatte.

Das 1573 erbaute stattliche Haus ist laut Chronik neben der Kirche das älteste Gebäude in Täfertinge­n und steht unter Denkmalsch­utz. Seit 1773 befindet sich der Gasthof im Besitz der Familie Schmid, und das soll so bleiben. Jasmin Schmid legt Wert darauf, dass der „Schmid“eine richtige Dorfwirtsc­haft bleibt, mit hellen, freundlich­en, gemütliRäu­men und einer einheimisc­hen schwäbisch­en Küche: „Wir leben von den Stammgäste­n“, sagt Jasmin Schmid - und diese schätzten, genau wie sie, die familiäre Atmosphäre. Nach und nach renovieren sie und ihr Lebensgefä­hrte hier, ließen bereits Fassade und Dach des Haupt- und Nebengebäu­des machen, den Nebenraum, jetzt ist bald die Küche an der Reihe. Die „Fremdenzim­mer“im Haupthaus würden aber nicht mehr genutzt, sie haben nur eine Etagendusc­he. „Das geht heute nicht mehr, und die Renovierun­g ist zu teuer.“

Der Weiberfasc­hing am Donnerstag, 28. Februar, ist ausverkauf­t, ein „riesiger Hype, jeder will kommen“, erzählt Jasmin Schmid, die sich erinnern kann, dass zu ihren Kinderzeit­en beim Schmid früher bis zu zehn Faschingsb­älle pro Saison waren. Deshalb wollte sie auch einen Dorfball wieder aufleben lassen - ein Versuch, der gescheiter­t ist: Das erste Jahr war der Ball gut besucht, im zweiten Jahr waren die Räume nur noch halb voll. Dass die Nachfrage nach Tanzverans­taltungen sich geändert hat - spätestens, seit die jungen Leute in die benachbart­en Diskotheke­n zum Tanzen gefahren sind - erzählt auch Jasmins Vater Anton Schmid. Er hat immer im Gasthof, zu dem in früheren Generation­en der Schmid´schen Familie eine Landwirtsc­haft und eine Brauerei gehörten, gearbeitet. 1981 hat er die Wirtschaft offiziell übernommen. „Jeden Samstag war Tanz mit Livekapell­en im Saal!“ist er heute noch begeistert. „Im Sommer habe ich durchgemac­ht, und im August war´s knackig voll.“

Etwa um 1990 gab er die Tanzverans­taltungen auf, vermietete den Saal zum Festpreis an türkische Familien für deren Hochzeiten; um 1998 habe er dann wieder mit Tanzvergnü­gen begonnen: einmal im Monat kam „die Jugend bis 60“zum Tanzen; und natürlich waren die Faschingsb­älle für Erwachsene und Kinder immer sehr beliebt, mindestens zehn pro Saison, vom Sportlerch­en ball über die Kinderbäll­e bis zum Hausball. „Zu Zeiten meiner Mutter haben die Amerikaner im Saal Partys gefeiert, wenn bei ihnen Zahltag war“, erinnert sich Anton Schmid. Sie brachten – bis aufs Bier – ihre Getränke selber mit, ebenso die 200-Liter-Tonnen mit Eis. Und das Gasthaus Schmid bot dreierlei Schnitzel an. Schmid sagt nicht ohne Wehmut: „Der Saal hat viele Geschichte­n erlebt.“

 ?? Foto: Marcus Merk ?? Das Täfertinge­r Gasthaus Schmid schließt den Veranstalt­ungssaal. Die Wirtin Jasmin Schmid beklagt die zu hohen Kosten des alten Gebäudes und will sich auf die Gastwirtsc­haft konzentrie­ren.
Foto: Marcus Merk Das Täfertinge­r Gasthaus Schmid schließt den Veranstalt­ungssaal. Die Wirtin Jasmin Schmid beklagt die zu hohen Kosten des alten Gebäudes und will sich auf die Gastwirtsc­haft konzentrie­ren.

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