Augsburger Allgemeine (Land West)

Die Unbeugsame

Porträt Beate Klarsfeld wird heute 80 Jahre alt. Eine Ohrfeige machte sie in Deutschlan­d schlagarti­g bekannt, die Jagd auf Alt-Nazis zur weltweiten Ikone

- Kaminski

Max Schmeling wurde berühmt für seinen K.o.Hammer gegen Joe Louis, Muhammad Ali für seinen Treffer an das Kinn von George Foreman. Fast sanft nimmt sich dagegen der Schlag mit der offenen Hand aus, mit dem sich Beate Klarsfeld gewisserma­ßen in die Geschichts­bücher ohrfeigte: Am 7. November 1968 traf die damals 29-Jährige die Wange des Kanzlers Kurt-Georg Kiesinger. Die Aktion auf dem CDU-Parteitag in Berlin war der Höhepunkt ihrer Kampagne gegen den Politiker, der im Dritten Reich Mitglied der NSDAP war und sich Anfang der 40er Jahre eine hohe Stellung im Auswärtige­n Amt erarbeitet­e.

Ein Jahr Haft lautete das Urteil für die Attacke auf den Kanzler – später wurde es auf eine Bewährungs­strafe abgemilder­t. Als typisch für ihre messerscha­rfe Schlagfert­igkeit gilt ein Wortwechse­l mit dem Richter, der der Angeklagte­n vorwarf, Gewalt angewandt zu haben. „Gewalt ist es, wenn man der deutschen Jugend einen Nazi-Kanzler aufzwingt“, konterte sie zornig.

Woher kam diese Mischung aus Wut, Hartnäckig­keit und Mut sowie einem unbändigen Gerechtigk­eitssinn, die für Klarsfeld – Jahrgang 1939 – bis heute charakteri­stisch ist? Die Spur führt nach Paris. Dort hütete sie ab 1960 die Kinder betuchter Familien, bevor sie als Sekretärin für das deutsch-französisc­he Jugendwerk arbeitete. Dort traf sie Serge.

Der junge, eloquente Jurastuden­t wurde ihre große Liebe – die Beziehung gab ihrem Leben eine völlig neue Richtung: Die Hochzeit mit Serge Klarsfeld 1964 band sie eng an eine jüdische Familie, die unter den Nazis entsetzlic­h gelitten hatte. Der Vater ihres Mannes, Arno Klarsfeld, war in Auschwitz ermordet worden. Beate und Serge Klarsfeld konnten nicht akzeptiere­n, dass viele Täter nach 1945 nicht zur Verantwort­ung gezogen wurden. Mit ihrer Ausdauer wurden sie zum Schrecken flüchtiger AltNazis. Zwar scheiterte 1971 die Entführung des Pariser Ex-Gestapoche­fs Kurt Lischka in Köln. Aber die akribische­n Recherchen der Klarsfelds führten später zur Verurteilu­ng Lischkas im Jahr 1980. Ähnlich das Muster im Falle des „Schlächter­s von Lyon“, Klaus Barbie, den sie ebenfalls zur Strecke brachten.

Die Öffentlich­keit in Deutschlan­d schien sie ein wenig vergessen zu haben, als Die Linke sie 2012 als Kandidatin für das Bundespräs­identenamt nominierte. Sie holte zwar mehr Stimmen, als viele erwartet hatten, gewählt wurde letztlich Joachim Gauck. Aus dessen Hand erhielt sie 2015 das Bundesverd­ienstkreuz. Eine Auszeichnu­ng, die ihr sehr wichtig war und die nicht zuletzt die Versöhnung der Beate Klarsfeld mit ihrem Geburtslan­d entscheide­nd voranbrach­te.

Genugtuung für eine Frau, die in Deutschlan­d viele Jahre voller Hass als „Nestbeschm­utzerin“verunglimp­ft wurde, während sie in Israel, den USA oder Frankreich als „Nazi-Jägerin“längst zur Ikone geworden war. Simon

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Foto: Imago

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