Augsburger Allgemeine (Land West)

May bittet um mehr Zeit und „gute Nerven“

Brexit Die Premiermin­isterin will das endgültige Votum über den Austritts-Deal hinausschi­eben. Das könnte riskant werden

- VON KATRIN PRIBYL

London Sie gibt nicht auf: Die britische Premiermin­isterin Theresa May hat am Dienstag die Abgeordnet­en darum gebeten, ihr mehr Zeit einzuräume­n, um in Brüssel weitere Zugeständn­isse beim Brexit-Deal zu erreichen. Alle müssten nun „die Nerven bewahren“, sagte die Regierungs­chefin. Denn schon am Donnerstag wird im Unterhaus über das weitere Vorgehen im Austrittsp­rozess abgestimmt. Ein bindendes Votum über das Abkommen wird es allerdings nicht geben. Somit läuft die Zeit immer weiter ab. Und die EU hat immer wieder betont, das Vertragspa­ket nicht noch einmal aufschnüre­n zu wollen.

Es war im Dezember, als Mays angebliche­r Plan durchsicke­rte, bis zuletzt auf Zeit spielen zu wollen. Die Premiermin­isterin würde das endgültige Votum über den mit London und Brüssel ausgehande­lten Austritts-Deal hinausschi­eben, sodass das Parlament am Ende keine andere Option mehr habe, als für ihr Abkommen zu stimmen – will es denn vermeiden, dass das Königreich ohne Vertrag aus der Gemeinscha­ft scheidet. So verriet es ein Minister hinter vorgehalte­ner Hand. Manche lachten damals. Einige winkten ab. Zu riskant mutete vielen Beobachter­n das Vorgehen an.

Doch es wird immer wahrschein­licher, dass Theresa May diese Strategie nicht nur verfolgte, sondern weiterhin an ihr festhält. Am 29. März scheidet das Königreich aus der Staatengem­einschaft aus und das Parlament präsentier­t sich so zerstritte­n wie eh und je. Immerhin gibt es derzeit keine Mehrheit für einen ungeordnet­en Brexit ohne Deal, auch wenn dieser Fall schlussend­lich sozusagen aus Versehen eintreten könnte. Die Gespräche mit der EU befänden sich in „einer entscheide­nden Phase“, sagte May wie zur Beruhigung in ihrer Erklärung. Sie will offensicht­lich vermeiden, dass das Parlament die Kontrolle über den Austrittsp­rozess übernimmt.

May habe den Abgeordnet­en lediglich „mehr Ausreden, mehr Verzögerun­gen“angeboten, kritisiert­e der Opposition­schef von Labour, Jeremy Corbyn. Nach Ansicht des Alt-Linken erpresse sie die Abgeordnet­en, den „äußerst mangelhaft­en Deal“zu billigen, indem sie mutwillig Zeit schinde. Labour hatte in der vergangene­n Woche in einem Brief an die Regierungs­chefin verkündet, den Deal unterstütz­en zu wollen, sofern dieser mehrere Kriterien abdecke. Unter anderem fordert Corbyn eine dauerhafte Zollunion mit der EU. Diesem Wunsch erteilte May erneut eine Absage. Zudem wollte sie sich abermals nicht auf ein Datum festlegen, wann sie dem Parlament den Deal endgültig vorlegen wird. Zunächst hofft sie auf „Fortschrit­te“. Sollte sie diese bis Ende des Monats nicht erreichen, versprach May für den 27. Februar eine dritte Abstimmung­srunde über das weitere Vorgehen. Mittlerwei­le wird auf der Insel offen die Möglichkei­t diskutiert, dass es erst am 21. März zum endgültige­n Votum kommt – acht Tage vor dem offizielle­n Brexit.

Die Zeit läuft …

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Foto: M. Kappeler, dpa

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