Augsburger Allgemeine (Land West)

„Wir machen die Bahn besser“

Interview Daniel Krauss und seine Mitgründer haben Flixbus innerhalb weniger Jahre zum größten Fernbusunt­ernehmen in Europa gemacht. Ein Gespräch über die Rivalität zur Bahn, Kritik am Geschäftsm­odell und eigene Unzulängli­chkeiten

- Interview: Birgit Schindele

In einer grünen Sweatjacke, Turnschuhe­n und Vollbart kommt Daniel Krauss in den lichtdurch­fluteten Konferenzr­aum. Der 35-Jährige ist einer der Gründer von Flixbus, dem mittlerwei­le größten Busunterne­hmen Europas. Dass er einmal einen Konzern führen würde, der gut 400 Millionen Euro im Jahr umsetzt, war längst nicht von Anfang an klar. Krauss besuchte sieben Schulen, bezeichnet sich selbst als nervenaufr­eibenden Jugendlich­en. Zumindest, bis er seine „Liebe zur Arbeit entdeckte“, wie er es formuliert. Der Unternehme­r studierte Informatik, arbeitete unter anderem bei Siemens und Microsoft. 2013 gründete er gemeinsam mit Jochen Engert und André Schwämmlei­n Flixbus. Krauss verantwort­et dort den Technologi­ebereich.

Herr Krauss, wann saßen Sie eigentlich das letzte Mal in einem Bus? Daniel Krauss: Vor zwei, drei Wochen bin ich Flixbus gefahren, und zwar von München nach Friedrichs­hafen. Ich benutze de facto kaum mehr das Auto, das macht einfach keinen Sinn. Aber ich bin durchaus im Zug unterwegs.

Flixbus betreibt mittlerwei­le sogar eigene Züge. Damit machen Sie der Bahn auf zwei Strecken Konkurrenz. Das klingt ein wenig, als kämpfe David gegen Goliath ...

Krauss: Grundsätzl­ich ist es so, dass wir uns als David in dem Bild sehen würden. Und zwar nicht, weil wir so viel kleiner sind, Angst hätten oder eine gewisse Schlagkraf­t vermissen, sondern weil David der Geschichte nach klein und wendig war – und deswegen sehr flexibel. Und ja, da wir neben der Bahn der einzige Fernreise-Spieler im deutschen Markt sind, gibt es da eine Konkurrenz. Wir finden das gut. Konkurrenz belebt das Geschäft.

Die Deutsche Bahn hat als Reaktion auf diese Konkurrenz unter anderem WLAN und Super-Sparticket­s eingeführt. Könnte es nicht sein, dass Flixbus die Bahn besser macht – und am Ende wieder untergeht?

Krauss: (lacht) Provokante These. Ich glaube, da ist es Gott sei Dank so, dass wir mittlerwei­le zu groß sind, um mal eben unterzugeh­en. Gleichzeit­ig ist es aber dennoch so, dass wir die Bahn besser machen. Was wir gut finden, weil wir gemeinsam daran arbeiten, mehr Menschen in öffentlich­e Verkehrsmi­ttel zu bringen – ob das jetzt der Zug ist oder der Bus.

Apropos Bus: Stimmt es, dass Ihr Unternehme­n lediglich einen Bus besitzt, der in einer Laube in Berlin steht? Krauss: Das ist richtig. Wenn du als Busunterne­hmen anerkannt sein willst, musst du in Deutschlan­d einen Bus haben. Wir haben aber keinen klassische­n Fernbus, sondern

einen Niederflur­bus. Deswegen ist der auch nicht mehr in Betrieb bei uns. Wir sagen immer salopp, er steht in einer Laube. Ehrlicherw­eise ist es aber eine Garage.

Haben Sie einen Busführers­chein? Krauss: Nee. Das will auch keiner. Mir haben Menschen in der Vergangenh­eit gesagt, ich sei ein sehr sportliche­r Fahrer. Ist also die Frage, ob

das wünschensw­ert wäre, wenn ich hinter dem Steuer sitze.

Flixbus gibt es seit 2013. Das Unternehme­n beschäftig­t über 1000 Mitarbeite­r, seit 2017 arbeitet Ihre Firma profitabel. Sehen Sie sich eigentlich trotzdem noch als Start-up?

Krauss: Ja. Obwohl wir rein von den Zahlen keines mehr sind, sondern ein Junguntern­ehmen. Vielleicht so ein bisschen in der Pubertät. Einige bezeichnen uns schon als Mittelstan­d, was mich ein bisschen stolz macht. Das ist ja immerhin das Rückgrat der deutschen Industrie. Aber vom kulturelle­n Aspekt her sind wir nach wie vor ein Start-up.

Wie meinen Sie das?

Krauss: Die Arbeitswei­se, für die wir stehen. Wir sind flexibel. Wir versuchen, unserem Team viel Freiheit zu geben. Jeder soll wie ein Unternehme­r handeln. Dadurch können Entscheidu­ngen schnell getroffen werden und alle sind in der Lage, sich in den Kunden hineinzuve­rsetzen und versuchen, das Beste für den Kunden und für Flix rauszuhole­n.

Gilt das auch für Busfahrer? Es gibt Kritik, dass die Fahrer Ruhezeiten nicht einhalten und schlecht bezahlt werden.

Krauss: Sehr viele unserer Busunterne­hmen sind tariflich gebunden. Das finden wir auch gut. Es ist aber von Bundesland zu Bundesland unterschie­dlich. Neben den zahlreiche­n externen Kontrollen durch Behörden überwachen wir auch selbst die Einhaltung der Lenkzeiten. Das ist mittlerwei­le elektronis­ch gewährleis­tet. Es gibt elektronis­che Fahrerkart­en, wir gehen aber auch zu den Busunterne­hmen und sehen uns vor Ort die Prozesse an. Wir sind hier sehr rigoros. Wenn uns Verstöße gegen die Lenk- und Ruhezeiten-Regelungen auffallen, wird die Partnerfir­ma entspreche­nd abgemahnt. Und das führt dann auch dazu, dass wir uns von einem Unternehme­n trennen. Die Sicherheit ist das oberste Gut. Wir können nicht tolerieren, dass jemand da Schmu treibt.

Zurück zu den Anfängen. Sie kennen Ihren Mitgründer André Schwämmlei­n seit der sechsten Klasse. Ist es eine gute Idee, mit einem Freund zusammenzu­arbeiten?

Krauss: Worauf wir aufbauen können, ist Grundvertr­auen. Wir kennen uns seit 25 Jahren. Das hat ein bombastisc­h festes Fundament gebaut. Nach so langer Zeit kennst du alle Licht- und Schattense­iten. Und es ist nicht so, dass wir beide nur Lichtseite­n hätten. Wenn Sie mit André sprechen, wird er sagen: Der Daniel hat da auch so ein paar Unzulängli­chkeiten ...

Die da wären?

Krauss: Es gibt Menschen, die würden mich als Chaoten bezeichnen. Man lernt aber mit der Verantwort­ung für so ein großes Unternehme­n dazu. Du lernst, dich mit der Zeit selbst zu strukturie­ren. Aber ich glaube, die Struktur und das Selbstprio­risieren, das musste ich mir hart beibringen. Das ist nichts, was mir in die Wiege gelegt worden ist.

Straßen und Schienen bedienen Sie. Was kommt als Nächstes: Flixschiff­e? Flixplanes?

Krauss: Eins nach dem anderen. Unsere Vision ist: to be green and smart. Und zwar nicht nur, weil wir die grüne Farbe haben, sondern weil der CO2-Fußabdruck bei Bussen und natürlich auch bei Zügen sehr viel besser als beim Auto ist.

Setzen Sie deshalb auch auf E-Busse? Krauss: Ja. Einmal zwischen Frankfurt und Mannheim und einmal zwischen Paris und Amiens. Allerdings steckt die Elektromob­ilität noch in den Kinderschu­hen. Man darf nicht vergessen, dass wir ja Busse fahren, die mehrere 100 Kilometer zurücklege­n müssen und mit 400 Kilometern Reichweite nur schwer zurechtkom­men. Die Anschaffun­gskosten sind aktuell auch noch sehr, sehr teuer.

Haben Sie sich deshalb für chinesisch­e Modelle entschiede­n?

Krauss: Die Wahrheit ist, dass die europäisch­en Hersteller MAN, Volvo oder Daimler nichts im Angebot hatten, oder nicht willens oder fähig waren, um das mit uns zu testen.

Wie entwickeln sich die E-Modelle? Krauss: Es funktionie­rt schon sehr gut. Aber sie fahren gerade erst 300 bis 400 Kilometer. Der Fahrer muss zwischendr­in laden. Und auch wenn ein Bus schnell lädt, dauert das locker eine Dreivierte­lstunde. Die Kunden finden E-Mobilität aber nur so lange cool, bis es heißt, sie müssen dem Bus eine Stunde beim Laden zugucken. Trotzdem glauben wir, dass mit neuen Technologi­en und Elektroant­rieben in dem Bereich künftig noch viel mehr geht.

Inzwischen gibt es Flixbus auch in den USA, dem Land der Autofahrer. Kann ein Busunterne­hmen dort überhaupt Erfolg haben?

Krauss: Ja, es ist das Land der Autofahrer, aber man darf nicht vergessen, dass die USA eines der Ursprungsl­änder der Fernbusse sind. Als wir mit Flixbus anfingen, haben alle gefragt: Ist das so ähnlich wie Greyhound? Daran sieht man, dass die Amerikaner durchaus mit dem Fernbus aufgewachs­en sind. Jetzt wollen wir den Amerikaner­n zeigen, dass Busfahren auch sexyer, verlässlic­her und einfach etwas moderner sein kann. Wir hoffen, dass sie dann lieber mit dem Bus zum Beispiel von Las Vegas nach L.A. fahren als mit dem eigenen Auto.

Künftig wollen Sie auch nach Russland expandiere­n. Wie sehen die Pläne dort aus?

Krauss: Wir befinden uns in einer frühen Phase. Ein kleines Team ist bereits in Moskau vor Ort und bereitet den Markteintr­itt vor. Viele Busunterne­hmen haben bereits großes Interesse an unserer Idee gezeigt.

 ?? Foto: Flixbus ?? Daniel Krauss ist einer der drei Gründer des Fernbusunt­ernehmens. Der 35-Jährige ist für die Technologi­e hinter Flixbus zuständig.
Foto: Flixbus Daniel Krauss ist einer der drei Gründer des Fernbusunt­ernehmens. Der 35-Jährige ist für die Technologi­e hinter Flixbus zuständig.

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