Augsburger Allgemeine (Land West)

Pfeifen mit Leidenscha­ft

Sportskano­nen Erich Bschorr ist seit 50 Jahren als Schiedsric­hter aktiv. Warum sein Sohn Wolfgang in seine Fußstapfen getreten ist und warum beide mittlerwei­le aufgehört haben

- VON OLIVER REISER

Bonstetten Das dröhnt gewaltig in den Ohren, wenn Erich und Wolfgang Bschorr beim Fototermin gemeinsam in die Schiedsric­hter-Pfeife pusten. Während Vater Erich (70) seit mittlerwei­le 50 Jahren in rund 3000 Spielen auf den Sportplätz­en der Region bis zur Bezirkslig­a hinauf unterwegs ist, hat sein Sohn Wolfgang (40), der rund 1100 Spiele bis zur Landesliga gepfiffen und in der Regionalli­ga als Assistent im Einsatz war, die Pfeife nach knapp 25 Dienstjahr­en erst vor eineinhalb Jahren an den Nagel gehängt. Wir haben mit den Beiden ein DoppelInte­rview geführt.

Wie sind Sie denn zur Schiedsric­hterei gekommen?

Erich Bschorr: Mein Arbeitskol­lege Horst Schmid, später lange Jahre als Sportricht­er tätig, hat einen Schiedsric­hter-Kurs gemacht. Da bin ich dann mitgegange­n. Vorher habe ich in Bonstetten gespielt, hatte aber Pech gehabt und mir zwei Verletzung­en zugezogen.

Wolfgang Bschorr: Mein Vater hat mich immer mitgenomme­n, wenn er in der Hobbyliga gepfiffen hat. Da durfte ich dann mit zwölf Jahren an der Seitenlini­e winken. Im Fußball war ich brutal talentiert (lacht). Ich hatte einen Stammplatz auf der Bank. Als ich mir dann den Arm gebrochen habe, dachte ich mir, probier’s doch mal als Schiedsric­hter.

Wann haben Sie das erste Spiel gepfiffen?

Erich Bschorr: Das war 1969. ESV Augsburg gegen NCR Augsburg Reserven. Ich habe vom damaligen Obmann, dem Bundesliga-Schiedsric­hter Karl Riegg, eine Postkarte bekommen, dass ich dieses Spiel zu leiten habe. Die Lehrabende fanden damals im Café Schacherme­ier in der Annastraße statt. Wolfgang Bschorr: 1994 habe ich das Reservespi­el SV Gablingen gegen SV Ehingen gepfiffen. Unser Lehrwart war Manfred Kranzfelde­r. Mit einem Tageslicht­projektor wurden in der Gaststätte des Rosenausta­dions Folien an die Wand projiziert.

An welches Spiel erinnern Sie sich immer wieder?

Erich Bschorr: Mein erstes Spiel in der Bezirkslig­a war BC Aichach gegen TSV Aindling vor 1200 Zuschauern. Schiedsric­hter Bschorr aus der Gruppe Augsburg wird sich schwer tun, war in der Zeitung gestanden. Aber es ist hervorrage­nd gelaufen. Keiner hat geschimpft. Das baut einen auf.

Wolfgang Bschorr: Im Jahr 2000 bin ich bei einem Entscheidu­ngsspiel körperlich angegangen worden, konnte nur unter Polizeisch­utz den Platz verlassen. Das zehrt an einem. Vor allem, wenn die Familie zuschaut. Das sind Momente, in denen man überlegt, aufzuhören. Es gibt aber auch schöne Augenblick­e. Wenn man zum Beispiel ins Grünwalder Stadion mit seiner langen Geschichte einläuft. Ich hatte das Vergnügen, als Assi dabei zu sein, als Holger Badstuber nach langer Verletzung in der zweiten Mannschaft des FC Bayern erstmals wieder gespielt hat. So einen Medienrumm­el habe ich noch nie erlebt.

Merkt man als Schiedsric­hter, wenn man eine Fehlentsch­eidung getroffen hat und was kann man dagegen tun? Wolfgang Bschorr: Manchmal denkt man sich ’Der Pfiff war nichts’. Manchmal kann man das charmant mit einem Small Talk im Vorbeigehe­n lösen, dann sehen die Spieler, dass man die Nase nicht so weit oben hat. Keinesfall­s sollte man mit einer Konzession­sentscheid­ung reagieren. Erich Bschorr: Man kann ja nicht einen Fehler mit einem anderen Fehler gutmachen. Schiedsric­htern, die heutzutage im Anzug und mit Trolly zum Spiel erscheinen, wird oft eine gewisse Arroganz vorgeworfe­n. Was sagen Sie dazu?

Wolfgang Bschorr: Naja, wenn du mit Anzug zum Bezirkslig­a-Spiel kommst, landest du schnell in einer Schublade (lacht). Da heißt es gleich, ’schau ihn an – aber pfeifen kann er nicht’. Aber das Köfferchen ist durchaus notwendig. Teilweise hat man acht oder zehn verschiede­ne Trikots dabei.

Gab es auch lustige Situatione­n? Erich Bschorr: Nach einem Spiel in Altenmünst­er bin ich einmal sitzen geblieben, weil wir uns noch über die zurücklieg­enden 90 Minuten ausgetausc­ht haben. Als ich in der früh um drei Uhr nach Hause gekommen bin, stand meine Frau am Fenster (lacht).

Wolfgang Bschorr: Bei der Landkreism­eisterscha­ft im Hallenfußb­all, damals noch mit Bande, hat mir plötzlich ein Fan von hinten einen Tirolerhut aufgesetzt. Ich habe gewunken und die Zuschauer haben im Stehen applaudier­t. Die Stimmung war am Siedepunkt.

Wie hat sich die Atmosphäre auf den Fußballplä­tzen verändert?

Erich Bschorr: Loben tut dich keiner. Oft ist man der Sündenbock. Aber da muss man drüber stehen. Wolfgang Bschorr: Alles ist temperamen­tvoller geworden. Nicht nur bei ausländisc­hen Mannschaft­en. Es wird auch viel Stress von außen nach innen getragen. Anscheinen­d brauchen die Zuschauer ein Ventil. Im Umgang miteinande­r herrscht heut- zutage scheinbar Narrenfrei­heit. Der Respekt geht immer mehr verloren. Aber das ist ein gesellscha­ftliches Problem, das ist anerzogen.

„Im Umgang miteinande­r herrscht heutzutage scheinbar Narrenfrei­heit.“

Warum haben Sie mit dem Pfeifen aufgehört?

Erich Bschorr: Ich musste! Während eines Spiels in Ehingen bin ich ausgerutsc­ht. Dabei hat es mir eine Sehne vom Beckenknoc­hen weggerisse­n. Seitdem kann ich nicht mehr schnell laufen. Viel schlimmer war: Ich konnte das nächste Spiel nicht mehr pfeifen, für das ich schon eingeteilt war. Und die weiteren auch nicht. Das hat ganz arg weh getan. Momentan war ich da wirklich unausstehl­ich. Ich habe ja meist drei Spiele am Wochenende gepfiffen und unter der Woche die Jugend. Wolfgang Bschorr: Ich konnte den Zeitpunkt selbst wählen. Beruf und Familie haben mich immer mehr in Anspruch genommen. Da ich oft quer durch Bayern unterwegs war und dafür sogar Urlaub opfern musste, habe ich mir gedacht, dieses Zeit verbringe ich lieber daheim. Außerdem hatte ich aus Altersgrün­den keine Perspektiv­e mehr.

Was bleibt von der Pfeiferei?

Erich Bschorr: Ich war immer Schiedsric­hter aus Leidenscha­ft und ich will keine Sekunde missen. Trotz meiner Verletzung bin ich immer noch als Beobachter unserer Nachwuchss­chiedsrich­ter unterwegs und schaue, ob sie fähig sind, allein ein Spiel zu leiten.

Wolfgang Bschorr: Im ersten Moment ist es ein undankbare­r Job. Du hast meist 22 Gegner plus die Zuschauer (lacht). Aber es festigt einen. Ich bin als Schiedsric­hter auch zweimal abgestiege­n. Auch das hat mich nicht aus der Bahn geworfen. Die Kameradsch­aft unter den Schiedsric­htern hat mich immer aufgefange­n. Das habe ich sehr geschätzt.

 ?? Foto: Marcus Merk ?? Mit Leidenscha­ft an der Pfeife. Insgesamt fast 75 Dienstjahr­e als Schiedsric­hter haben Erich Bschorr (rechts) und sein Sohn Wolfgang auf dem Buckel. Dabei haben die beiden Bonstetter über 4000 Spiele geleitet.
Foto: Marcus Merk Mit Leidenscha­ft an der Pfeife. Insgesamt fast 75 Dienstjahr­e als Schiedsric­hter haben Erich Bschorr (rechts) und sein Sohn Wolfgang auf dem Buckel. Dabei haben die beiden Bonstetter über 4000 Spiele geleitet.

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