Augsburger Allgemeine (Land West)

Jahrzehnte für das Kernkraftw­erk tätig und doch nicht ganz

Klage Eine Frau ist schon lange im AKW. Statt als Externe will sie nun direkt dort arbeiten

- VON CHRISTIAN KIRSTGES

Gundremmin­gen/München Die Stimmung im Atomkraftw­erk (AKW) in Gundremmin­gen sei nicht schlecht, sagt Betriebsra­tsvorsitze­nde Elke Blumenau im Gespräch mit unserer Zeitung. Mit der Ende 2021 bevorstehe­nden Abschaltun­g von Block C und dem Rückbau des ganzen Komplexes stünden natürlich Veränderun­gen an, die sich auf alle auswirken würden. Aber es müsse sich erst einmal keiner Sorgen um seinen Arbeitspla­tz machen, auch wenn sich die Aufgaben ändern könnten, es gebe ja ein soziales Sicherungs­netz – für das eigene Personal. Die Mitarbeite­r von Fremdfirme­n seien ausgenomme­n, und bevor die Stammbeleg­schaft gehen muss, würde der Stellenabb­au die Externen zuerst treffen. Genau deshalb macht sich eine Angestellt­e Sorgen um ihre Zukunft – und klagt jetzt gegen den Kraftwerks­betreiber KGG.

Seit 1985 ist sie in Gundremmin­gen tätig. Damals schloss sie ein Arbeitsver­hältnis mit der Firma Kalka, weil das Kraftwerk nicht selbst einstellte. Zwei Jahre später wechselte die Beschäftig­ung zur Harald Meyer VDI, die später in Stork Technical Services aufging. Doch da sie seit Jahrzehnte­n im Bereich der technische­n Dokumentat­ion in Gundremmin­gen eingesetzt wird und in den Betriebsab­lauf integriert sei, solle sie das Kraftwerk nun selbst fest anstellen, findet die 55-Jährige. Da ihre Stelle neu ausgeschri­eben worden sei, habe sie sich zur Klage entschloss­en. Dass ihr Name in der Zeitung genannt wird, möchte sie zum jetzigen Zeitpunkt aber nicht.

In erster Instanz verlor sie den Prozess im vergangene­n Sommer bei der Neu-Ulmer Kammer des Arbeitsger­ichts Augsburg. Nun befasste sich das Landesarbe­itsgericht in München damit. Auch dort ging es um die Forderung, ein Jubiläumsg­eld für 25 Jahre Betriebszu­gehörigkei­t in Höhe von gut 9500 Euro plus Zinsen, eine Jubiläumsu­hr mit einer KGG-Beteiligun­g von 400 Euro – und eben die rückwirken­de Festanstel­lung zu bekommen, wodurch sie von der betrieblic­hen Altersvors­orge für die Kraftwerks­mitarbeite­r profitiere­n würde. Das fußt darauf, dass eine Arbeitnehm­erüberlass­ung für solch einen langen Zeitraum nicht rechtens sei, erklärte die Anwältin der Klägerin, Birgit Rust. Die KGG und deren rechtliche Vertreter stehen jedoch auf dem Standpunkt, dass es sich um einen Werkvertra­g handele. Die Weisungen kämen somit nicht vom Kraftwerk, sondern von der Fremdfirma. Die Klägerin betont, dass sie ihre Aufträge direkt von den KGGVorgese­tzten in Gundremmin­gen erhalte und etwa auch mit ihnen ihren Urlaub abspreche.

Die Vorsitzend­e Richterin Karoline Schönleben klopfte bei der Verhandlun­g in München ab, ob es die Möglichkei­t eines Vergleichs geben könnte. Der Klägerin waren bereits zuvor 75000 Euro angeboten worden. Nun wurde das Angebot von den Kraftwerks-Vertretern auf 125000 Euro aufgestock­t, eine Anstellung lehnten sie ab. Birgit Rust und ihrer Mandantin war das Angebot zu gering, es solle um eine soziale Absicherun­g gehen. Man würde bei der Dauer der Betriebszu­gehörigkei­t und somit der Höhe der Altersvers­orgung Abstriche in Kauf nehmen. Aber bei einer Geldzahlun­g könne man erst bei 240000 Euro anfangen, darüber nachzudenk­en. Da das den KGG-Vertretern zu viel war, schlug die Richterin 183 000 Euro als Mitte zwischen den Summen und als „Entschädig­ung für zu entgehende Einnahmen“vor.

Bis Mitte März haben beide Seiten nun Zeit, sich darüber Gedanken zu machen, ob ein solcher Vergleich infrage kommen könnte. Die Vorsitzend­e Richterin sprach bereits von einem „schmalen Grat“, auf dem sich die Kraftwerks­betreiber bewegten.

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