Augsburger Allgemeine (Land West)

Warum Orbán sich (noch) sicher fühlen kann

Die Konservati­ven murren. Doch ein Ausschluss aus der EVP ist gar nicht so einfach

- VON DETLEF DREWES

Brüssel Der Krach geht weiter. Viktor Orbán, der wegen seiner PlakatKamp­agne gegen Kommission­schef Jean-Claude Juncker heftig attackiert wird, verteidigt­e die Aktion am Freitag. „Eine Kampagne wie diese entlarvt die Brüsseler Bürokraten“, sagte der Chef der rechtsnati­onalen Regierung in Ungarn. „Die gegenwärti­ge migrations­fördernde Mehrheit in Brüssel will die Einwanderu­ng steigern, was bedeuten würde, dass Europa nicht mehr den Europäern gehört.“Die immer lauter werdende Kritik der Parteifreu­nde aus Europa wies Orbán zurück. Inzwischen heißt es aus dem inneren Kreis der Europäisch­en Volksparte­i (EVP), dem Dachverban­d der christdemo­kratischen Parteien in der EU, man wolle Anfang März bei einer Fraktionss­itzung über die Aktion der Ungarn reden.

Dann könnte das Selbstbewu­sstsein des Regierungs­chefs, der mit seiner Fidesz-Partei ebenfalls zum EVP-Verbund gehört, schnell einen Knacks bekommen. Immerhin mehren sich die Stimmen aus anderen christdemo­kratischen Parteien in der EU, die die Kampagne kritisiere­n. Österreich­s Bundeskanz­ler Sebastian Kurz bezeichnet­e am Freitag die Plakat-Aktion Orbáns gegen Juncker ebenfalls als „inakzeptab­el“. Und auch aus weiteren Ländern hieß es, Orbán habe sich „ins Aus gestellt“. Manfred Weber, Spitzenkan­didat der Christdemo­kraten für die Europawahl, setzte sich inzwischen von Orbán ab. „Manche Formulieru­ngen halte ich für inakzeptab­el“, sagte er. Man könne nicht wie Orbán „der EVP angehören und gegen den amtierende­n EVP-Kommission­spräsident­en Wahlkampf machen, das geht nicht“. Der Ungar müsse „erkennen, dass er sich immer weiter von der EVP entfernt“.

Allerdings wäre der von vielen Seiten geforderte Rauswurf der Fidesz-Regierungs­partei nicht einfach. Sieben christdemo­kratische Parteien aus fünf Ländern müssten einen Antrag auf Ausschluss aus der EVP stellen. Erst dann kann der Antrag im Kreis der knapp 50 Mitgliedsp­arteien zur Abstimmung gestellt werden – eine einfache Mehrheit genügt. Fazit: Weber kann sich zwar von dem umstritten­en ungarische­n Ministerpr­äsidenten distanzier­en, einen Ausschluss aus der EVP müssten andere veranlasse­n.

Die Schlüsself­igur dürfte Joseph Daul sein, der 71-jährige Franzose und EVP-Parteichef, der lange Jahre die christdemo­kratische Fraktion im Parlament geleitet hat. Ihm werden beste Beziehunge­n in die Mitgliedst­aaten nachgesagt, aber eben auch eine Neigung, Konflikte möglichst lange hinter verschloss­enen Türen zu halten. Zwar hatte sich Daul, der als Vertrauter Webers gilt, ebenfalls von Orbáns Kampagne distanzier­t. Doch dass er wenige Monate vor der Europawahl einen Bruch mit den Ungarn riskieren will, gilt als eher unwahrsche­inlich. Die Angst davor, dass sich Viktor Orbán eine parlamenta­rische Rechte gegen die Christdemo­kraten bilden könnte, scheint viel zu groß.

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Foto: dpa Mit diesen Plakaten hetzt Orbán gegen die Flüchtling­spolitik der EU.

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