Augsburger Allgemeine (Land West)

Wie können Beweise einfach so verschwind­en?

Nach Missbrauch­sfällen auf einem Campingpla­tz in Lügde fehlt ein ganzer Koffer mit Daten-CDs

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Lügde Nach dem massenhaft­en sexuellen Missbrauch von Kindern auf einem Campingpla­tz in Lügde in Nordrhein-Westfalen ruft eine Pannenseri­e bei Behörden und Polizei viel Unverständ­nis hervor. Zuletzt verschwand­en Beweisstüc­ke aus dem Gebäude der Kreispoliz­ei in Detmold. Nordrhein-Westfalens Innenminis­ter Herbert Reul (CDU) spricht von Behördenve­rsagen.

Was wirft Reul den Behörden vor?

Reul macht keinen Hehl aus seiner Wut: Im Fall Lügde hätten sich bei Polizei und Jugendämte­rn Pannen und Fehler gehäuft. Der Minister spricht unumwunden von Behördenve­rsagen. Nach seiner Auffassung hätte der sexuelle Missbrauch von Kindern auf dem Campingpla­tz zumindest nach 2016 verhindert werden können, denn schon damals gab es erste Hinweise. Doch erst zwei Jahre später wurde der Hauptverdä­chtige festgenomm­en. Reuls markiger Spruch: „Meine Oma hätte gemerkt, dass da was nicht stimmt.“

Was ist über die verschwund­enen Beweismitt­el bekannt?

155 CDs und DVDs sind ver- schwunden, die die Ermittler am

6. Dezember 2018 auf dem Campingpla­tz und in der Wohnung des 56-jährigen Hauptverdä­chtigen gefunden hatten. Die Datenträge­r in einer schwarzen Mappe und in einem Aluminiumk­offer sollten am

30. Januar in einen extra eingericht­eten Asservaten­raum bei der Polizei Lippe umgelagert werden. Dabei fiel auf, dass das Material fehlte. Die internen Ermittlung­en blieben erfolglos. Seit dem 20. Februar sind Beamte des LKA nun auf der Suche danach. Zuletzt gesehen wurden die Datenträge­r kurz vor Weihnachte­n in einem Auswertung­sraum.

Ist das Verschwind­en von Beweismitt­eln ein Einzelfall?

Nein, sagt der Bochumer Kriminolog­e Prof. Thomas Feltes. „Nach meinen Erfahrunge­n ist es durchaus nicht selten, dass Beweismitt­el im Laufe eines Strafverfa­hrens verschwind­en oder nicht mehr auswertbar sind“, sagt Feltes.

Wie haben die Ermittler reagiert, als das Fehlen festgestel­lt wurde?

Laut Staatsanwa­ltschaft stand die Frage im Vordergrun­d, ob die Datenträge­r versehentl­ich mit Asservaten aus anderen Verfahren vermischt und daher an andere Behörden abgegeben wurden. Die Suche in der Asservaten­kammer der Staatsanwa­ltschaft Detmold und bei der Polizei in Bielefeld blieb aber erfolglos.

Wie groß ist der Schaden für die Ermittlung­en?

Bei dem verschwund­enen Material handelt es sich nur um einen Teil der sichergest­ellten Beweisstüc­ke. Insgesamt wurden mehr als 13000 Fotos und Videos mit kinderporn­ografische­m Material gefunden – angeblich 14 Terabyte. Verschwund­en sind fünf Prozent. Für eine Anklage dürfte das kaum Folgen haben.

Gibt es erste Konsequenz­en?

Der Polizeiche­f des Kreises Lippe hat nun einen führenden Beamten von seinen Aufgaben entbunden. Der Leiter der zuständige­n „Direktion K“habe ihn zu spät über die verschwund­enen Beweismitt­el in dem Fall informiert, sagte der Behördench­ef und Landrat Axel Lehmann (SPD) am Freitag in Detmold bei einer Pressekonf­erenz.

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Foto: Christian Mathiesen, dpa Der Missbrauch soll sich auf diesem Campingpla­tz östlich von Bielefeld ereignet haben.

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