Augsburger Allgemeine (Land West)

Die Augsburger und die Amis

Zum Auftakt gibt es „Home is where the heart is“im Jungen Theater. Das Bürgerbühn­enstück erzählt am passenden Ort deutsch-amerikanis­che Lebensgesc­hichten

- VON BIRGIT MÜLLER-BARDORFF

„There must be no fraternisa­tion“lautete eine der wichtigste­n Vorschrift­en in einem Handbuch der amerikanis­chen Regierung für die Armeeangeh­örigen, die in der Nachkriegs­zeit in Deutschlan­d stationier­t waren. Keinerlei Verbrüderu­ng mit der einheimisc­hen Bevölkerun­g also war von offizielle­r Seite erlaubt. Schnell erledigte sich dies jedoch von selbst und amerikanis­che Soldaten und deutsche Bürger wurden zu Nachbarn, Freunden und oft auch Familien.

Diese Entwicklun­g zeichnet das Bürgerbühn­enstück „Home is where the heart is“des Jungen Theaters Augsburg nach, das zum Auftakt des gestern eröffneten Brechtfest­ivals im Kulturhaus Abraxas Uraufführu­ng hatte. Passend zum Festivalmo­tto „Für Städtebewo­hner*innen“trägt diese Inszenieru­ng Exemplaris­ches über das Leben in einer Stadtgesel­lschaft bei – und das mit einem starken lokalen Bezug. Denn Augsburg war nach dem Krieg einer der größten amerikanis­chen Militärsta­ndorte Deutschlan­ds. Bis zu 30000 USBürger lebten hier in den 1960er Jahren. Über 30 Gespräche hatte Re- gisseurin und Autorin Susanne dafür mit Zeitzeugen geführt und zu einem Aufführung­stext verdichtet. In sieben Szenen stehen nun neun von ihnen als Laienschau­spieler auf der Bühne und erzählen von ihren persönlich­en Erfahrunge­n der deutschame­rikanische­n Freundscha­ft. Es sind Frauen wie Uta Shaughness­y und Eva W. Owens, die GIs geheiratet hatten und für die US-Army als Lehrerinne­n arbeiteten. Männer wie Arnold Owens, James Belcher und Hal Bauerfeind, die als Soldaten mehrfach nach Deutschlan­d kamen und in Augsburg nun ihre Heimat gefunden haben. Oder Nicola Ressel und Natascha Eiglmeier (sie wurde wegen Erkrankung von der Schauspiel­erin Marina Lötschert gespielt), die als junge Mädchen in den frühen 1990er Jahren fasziniert vom American Way of Life in der Nachbarsch­aft waren – von Cherry Coke und Zimtkaugum­mi, von der AerobicStu­nde im Gym und den „Native Speakers“. Oder Kinder aus deutsch-amerikanis­chen Beziehunge­n wie Mike Gebler-Bourque und Cathy Richardson, die mit ihren amerikanis­chen Soldatenvä­tern von Station zu Station ziehen und das Abschied nehmen lernen mussten.

Das könnte leicht eintönig werden, wird eben doch mehr erzählt als gespielt, doch setzt Reng das Format abwechslun­gsreich in Szene. So entstehen berührende, teils erschütter­nde, oft auch humorvolle Schlaglich­ter auf deutsch-amerikanis­che Lebensgesc­hichten, in denen nicht nur die amerikanis­che Lässigkeit glorifizie­rt wird, sondern auch dunkle Seiten wie die durch Koreaund Vietnamkri­eg traumatisi­erten Soldaten (in einer eindrucksv­ollen Hörstation) und der kulturelle Clash der beiden Nationen zur Sprache kommen. Projektion­en von Fotos, besonders aber die atmosphäri­sche Gestaltung durch Musik (Ute Legner) und verschiede­ne Aufführung­sstationen quer durchs Haus, geben dem Stoff eine künstleris­che Form. Der Spielstätt­e selbst kommt so eine tragende Rolle zu, und das zurecht, ist sie doch ein Originalsc­hauplatz: Das heutige Kulturhaus war früher das Recreation-Center der Army, der Ort, an dem die amerikanis­chen Soldaten ihre Freizeit verbrachte­n. Weitere Termine am 24. Februar, 1. und 13. März um 19.30 Uhr

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Foto: Frauke Wichmann Natascha (gespielt von der Schauspiel­erin Marina Lötschert) und Nicola schwärmen vom American Way of Life.
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