Augsburger Allgemeine (Land West)

Ein Lied über alle Fronten hinweg

- HISTORISCH­E STREIFZÜGE MIT RAINER BONHORST

Der Erfolg kam langsam. Als Lale Andersen 1939 das Lied sang, wollte es zunächst kaum einer hören. Sie war selber nicht begeistert. Der Jubel setzte erst ein, als sie Jahre später mit ihrer „Lili Marleen“mehr als eine Million Hörer erreichte. Das Lied erklang über alle Fronten hinweg, wurde zum Schlager bei Freund und Feind. Soldaten des Zweiten Weltkriegs aller Nationalit­äten träumten und sangen von der Laterne vor dem gro- ßen Tor, unter der sie ihre Liebste einst wieder zu sehen hofften.

Den Sehnsuchts­text hatte der Hamburger Schriftste­ller Hans

Leip als junger Soldat im Ersten Weltkrieg verfasst. Er wäre statt in Russland lieber bei Lili gewesen. Oder bei Marleen. Aus zweien machte er eine: Lili Marleen. Die schwermüti­ge Melodie hat Norbert Schultze komponiert, der sich sonst durch stramm nationales Liedgut hervortat. Seine Lili Marleen kam beim obersten Kulturwäch­ter Joseph Goebbels nicht gut an. Viel zu dunkel-romantisch, null Wehrertüch­tigung. Er wollte es verbieten.

Aber das ging nicht mehr. Der deutsche Soldatense­nder im besetzten Belgrad hatte Lili Marleen zum Erkennungs­lied gemacht. Seither brachte Lale Andersens rauchige Stimme die Frontsolda­ten zum Schwärmen. Und eben nicht nur die deutschen. Als Montgomery­s britische Truppen das Lied über Afrikas Wüstensand zu sich herüberweh­en hörten, riefen sie Rommels Kämpfern zu: „Lauter!“Und sangen mit.

Engländer, die ein deutsches Soldatenli­ed sangen? Unmöglich. Die britische Führung schritt ein, ließ einen englischen Text dichten und Vera Lynn eine eigene „Lili Marlene“unter dem „lamplight“besingen. Auch die Amerikaner sangen mit. Ihre Lale Andersen war Marlene Dietrich, der amerikanis­ch gewordene Star mit deutschem Migrations­hintergrun­d. Die Italiener staunten, als die GIs zu ihrer Befreiung schritten und dabei das gleiche Lied sangen, das zuvor die Deutschen bei ihrem Einmarsch gesungen hatten. Dann legten sie sich selber eine italienisc­he Version der Lili Marleen zu. Und die Franzosen eine französisc­he. Bald umrundete Lili Marleen in vielen Versionen den Globus.

Es war nicht das erste Mal, dass ein Lied die Fronten überwunden hat. Im Ersten Weltkrieg sangen Deutsche und Briten an der Westfront gemeinsam Weihnachts­lieder. Bis die Obrigkeit einschritt.

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