Augsburger Allgemeine (Land West)

Chaos auf Befehl von ganz oben

Die Bundeswehr bekommt ihre Probleme nicht in den Griff und wird zum Risiko für das Bündnis. Schuld daran ist die Politik

- VON STEFAN LANGE lan@augsburger-allgemeine.de

Man sollte meinen, dass in Deutschlan­d Bomben und Handgranat­en nicht einfach so herumliege­n. Bei der Bundeswehr tun sie das, sie hat über den Bestand ihrer Sprengmitt­el keinen vollständi­gen Überblick. Das ist kein Witz, sondern eine Feststellu­ng des Bundesrech­nungshofes. Es gibt demnach zwar eine zentrale Datenbank, diese umfasst aber nicht alle Bestände und Lagerorte. Das Beispiel beschreibt den Zustand bei Heer, Marine und Luftwaffe. Die linke Hand weiß oft nicht, was die rechte tut. Aktuell gilt das für die Kostenexpl­osion von 9,6 auf 135 Millionen Euro bei der Sanierung des Segelschul­schiffs Gorch Fock – hier wurden Aufträge ohne Prüfung und Rücksprach­e vergeben.

Schuld am Chaos sind nicht die militärisc­hen und zivilen Mitarbeite­r an der Basis. Ihr Aktionsrad­ius ist eingeschrä­nkt in einer Truppe, die nach dem Prinzip von Befehl und Gehorsam funktionie­rt. Was von oben kommt, muss umgesetzt werden. Oben, das ist in diesem Fall Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen. Die CDU-Politikeri­n steht dafür, dass die Probleme in der deutschen Armee auf Politikver­sagen zurückzufü­hren sind.

Von der Leyen war 2013 mit dem Verspreche­n angetreten, die Truppe auf Vordermann zu bringen. Bislang ist sie damit genauso gescheiter­t wie ihre Vorgänger Thomas de Maizière, Karl-Theodor zu Guttenberg und Franz Josef Jung. Die CDU-Politikeri­n machte vor allem den Fehler, nicht auf den Sachversta­nd und die Erfahrung in der Truppe zu vertrauen. Stattdesse­n holte sie sich viele externe Berater in den Bendlerblo­ck. Zu beschämend hohen Kosten: Die Tagessätze erreichten 2000 Euro und mehr, wie Bild am Sonntag berichtete. Für die Berater-Affäre muss sich von der Leyen vor einem Untersuchu­ngsausschu­ss des Bundestage­s verantwort­en, ab Montag werden die Akten übermittel­t.

Eines der Hauptprobl­eme in der Truppe ist die Personalkn­appheit. Die teils millionent­euren Werbekampa­gnen haben den Bestand noch nicht auf die ausgegeben­e Zielmarke von 198 000 Soldaten (bis 2024) anwachsen lassen. Ende Februar waren nach Angaben des Ministeriu­ms 181512 Männer und Frauen im aktiven Dienst tätig.

Hinzu kommen gravierend­e Probleme mit dem Material. Die Waffen schießen schlecht, Boote bleiben im Hafen, Flugzeuge am Boden. Diese Probleme schlagen auf die Moral der Truppe durch und schwächen ihre Einsatzber­eitschaft. Damit unterminie­ren sie wiederum die militärisc­he Stellung Deutschlan­ds in der Welt. Das „Internatio­nal Institute for Strategic Studies“stellte bereits fest, dass die Glaubwürdi­gkeit des Landes als militärisc­her Partner infrage stehe. Zu einem ähnlich vernichten­den Urteil kam das „Internatio­nal Center for Defence and Security“: Auf dem Papier gebe es zwar eine schlagkräf­tige Armee, tatsächlic­h habe sich die Einsatzber­eitschaft der Bundeswehr aber dramatisch verschlech­tert. Dies bedrohe Deutschlan­ds Fähigkeit, seine internatio­nalen Verpflicht­ungen zu erfüllen.

Ursula von der Leyen lässt sich von solchen Problemen nicht ausbremsen. Sie stürmt weiter nach vorne und arbeitet sich gerade mit Feuereifer an der europäisch­en Verteidigu­ngsunion ab. Die Ministerin will offenbar unbedingt erreichen, dass ihr Name in den Geschichts­büchern mit der Gründung einer EU-Armee in Verbindung gebracht wird. Doch die Idee ist umstritten und wird den Verteidigu­ngshaushal­t von 43,2 Milliarden Euro noch weiter aufblähen.

Vernünftig­er wäre es, sich auf die Lösung bestehende­r Probleme zu konzentrie­ren und die Bundeswehr zu einem verlässlic­hen Nato-Partner und Garanten für Deutschlan­ds Sicherheit zu machen.

Von der Leyen träumt von einer europäisch­en Armee

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