Augsburger Allgemeine (Land West)

Beate Uhse 2.0

Lea-Sophie Cramer ist Gründerin des Online-Sexshops Amorelie. Jetzt berät sie Erfinder in der Fernsehsen­dung „Das Ding des Jahres“

- Philipp Wehrmann

Sie führte mit Mitte 20 in ihrem ersten Job 1200 Mitarbeite­r, war schon zu Gast bei einem Kamingespr­äch von Kanzlerin Merkel und machte sich später selbststän­dig. Heute verkauft Lea-Sophie Cramer Vibratoren, Handschell­en und Gleitgel im Internet. Die Gründerin des Online-Sexshops Amorelie ist eine der bekanntest­en StartupUnt­ernehmerin­nen Deutschlan­ds. Nun gibt die 31-Jährige ihr Wissen weiter: Heute Abend berät sie in der Jury der Pro7-Sendung „Das Ding des Jahres“zukünftige Gründer.

Beate Uhse, von der Cramer sagt, sie sei eine „tolle Frau“gewesen, brachte Erotik zwar in die Innenstädt­e, das Schmuddel-Image aber nicht aus den Köpfen: Lack und Leder, Sexkino und Straßenstr­ich. Lea-Sophie Cramer möchte ein anderes Bild zeichnen. Amorelie nennt sie nicht Sexshop, sondern „Onlineshop fürs Liebeslebe­n“. Offenbar mit Erfolg: 90 Mitarbeite­r hat das Berliner Unternehme­n. Der Umsatz war 2017 um mehr als die Hälfte auf 56 Millionen Euro gestiegen.

Während in Erotikläde­n überwiegen­d Männer einkaufen, richtet sich Cramer an Paare und Frauen. Cramer selbst konnte mit dem Thema früher nicht viel anfangen. Sie sei ziemlich „prüde“gewesen, bevor sie Amorelie gründete. „Heute geht das natürlich nicht mehr.“Ihre Vision: Statt sich durch Seitengass­en in Läden zu schleichen, liefert ein Paketbote Vibratoren in weißen Päckchen ohne Absender, ganz anonym. Cramer konzipiert­e etwa eine „Post-Baby Box“. Erotikspie­lzeuge, die nach der Schwangers­chaft bei der Rückbildun­g des Bauch- und Beckenbode­ns helfen sollen – mehr Medizinpro­dukt als Pornospiel­zeug, wie es scheint.

Auf die Idee, Amorelie zu gründen, kam Cramer, als sie Menschen im Zug und Café unverblümt Erotiklite­ratur lesen sah – zu dieser Zeit boomte „Fifty Shades of Grey“. 2012 meldete Cramer den Onlineshop an. Nach und nach kaufte der Medienkonz­ern ProSiebenS­at.1 Anteile ihres Unternehme­ns. Heute besitzt Cramer nur noch zwei Prozent. Sie bleibt Geschäftsf­ührerin, aus der Firma aussteigen möchte sie nicht. „Wenn ich rausgehe, würde ich sofort wieder gründen.“Damit ist sie eine Ausnahme: In der Startup-Branche gibt es wenige Frauen. 2017 flossen weltweit 86 Prozent des Gelds von Investoren an männliche Gründer. Cramer führt das darauf zurück, dass Frauen seltener bereit seien, Risiken einzugehen – und das sei schade. Wie sie sich selbst durchsetzt? „Stärken stärken.“Statt zu versuchen, die eigenen Schwächen auszugleic­hen, solle man sich auf seine Stärken konzentrie­ren.

Dass Frauen seltener gründen, könnte auch mit den Arbeitszei­ten zu tun haben: Bei Amorelie gebe es einen Raum, der halb Kinder-, halb Besprechun­gszimmer sei. Sie diskutiert am Konferenzt­isch, die Tochter liegt auf der anderen Seite im Kinderbett. Doch selbst während ihres Mutterschu­tzes ließ sie die Arbeit nicht ruhen: Sie bestellte ihre beiden weiteren Geschäftsf­ührer zu ihr nach Hause, um sie auf dem aktuellen Stand zu halten.

 ??  ?? Foto: dpa
Foto: dpa

Newspapers in German

Newspapers from Germany