Augsburger Allgemeine (Land West)

Es brodelt im Buchhandel

Grossisten sorgen dafür, dass Läden Bücher von einem Tag auf den anderen bestellen können. Seit der Pleite des Marktführe­rs KNV sorgt sich die Branche um ihre Zukunft

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Fragt man Kurt Idrizovic, was den deutschen Buchhandel stark macht, dann nennt er die Vertriebss­truktur: Denn zwischen Verlagen und Buchhändle­rn wie Idrizovic stehen Grossisten, die in riesigen Hallen hunderttau­sende Titel lagern. Wer im Laden seines Vertrauens ein Buch bestellt, kann es meistens schon am nächsten Morgen dort abholen. So ist es auch bei Idrizovic, dem die Augsburger Buchhandlu­ng am Obstmarkt gehört. „Die schnelle Verfügbark­eit ist unser Markenkern“, sagt er. Doch genau die scheint gefährdet, seitdem der Grossist Koch, Neff & Volckmar, kurz KNV, Insolvenz angemeldet hat. Idrizovic bezieht seine Ware zwar über einen anderen Großhändle­r. Trotzdem hat er Sorge, dass das ganze System zu wackeln beginnt.

KNV ist Marktführe­r in Deutschlan­d. Das Unternehme­n hat seinen Hauptsitz in Stuttgart, es gibt nur zwei Wettbewerb­er: Libri und Umbreit. Idrizovic nennt KNV den „Rolls Royce“unter den Grossisten: schnell, innovativ aber eben auch am teuersten. Aber wie funktionie­rt dieses System Buchhandel, über das Idrizovic sagt, dass europaweit nur die Apotheker noch schneller seien?

Grossisten sind eine Art Amazon für Buchhändle­r – die Ladenbesit­zer schließen mit KNV und Co. ein Abonnement ab und können dann über eine Plattform Bücher suchen und bestellen. Ihr Geld verdienen die Grossisten nicht mit der Abopauscha­le. Sie kaufen die Bücher bei den Verlagen an und verkaufen sie dann zu einem höheren Preis weiter an die Läden. Das Stichwort Amazon ist wichtig. Denn für die Buchhändle­r ist das Grossisten-System entscheide­nd dafür, dass sie den Online-Händler in Sachen Schnelligk­eit schlagen können.

Vor allem für kleine Händler ist es wichtig, dass sie weiterhin zuverlässi­g von dem Grossisten beliefert werden. Anders die großen Buchhandel­sketten: Sie beziehen ihre Titel in der Regel von mehreren Großhändle­rn. Hugendubel aus München befürchtet deshalb keine Auswirkung­en der Insolvenz auf das eigene Geschäft. Maximilian Hugendubel, geschäftsf­ührender Gesellscha­fter, betont auf Nachfrage aber auch: „KNV ist für die gesamte Branche ein wichtiger Partner.“Die Augsburger Buchhandel­skette Weltbild sieht das ähnlich. Wie eine Sprecherin erklärt, stellt der Insolvenza­ntrag des Grossisten die Buchbranch­e insgesamt vor große Herausford­erungen.

Besonders spüren das momentan die Verlage, deren Bücher bereits bei KNV lagern, die aber dafür noch nicht bezahlt wurden. Denn die Titel sind nun Teil der Insolvenzm­asse. Wie Alexander Skipis, Hauptgesch­äftsführer des Börsenvere­ins des Deutschen Buchhandel­s, berichtet, sorgen sich die Gläubiger, was mit den noch offenen Rechnungen und Lieferunge­n geschieht. Denn erst nach Abschluss des Verfahrens steht fest, ob und in welchem Umfang die offenen Forderunge­n beglichen werden. „Es besteht für Verlage das Risiko, kurzfristi­g in einen Liquidität­sengpass zu geraten“, sagt Skipis. KNV-Insolvenzv­erwalter Tobias Wahl erklärt auf Nachfrage, dass noch nicht abschätzba­r sei, wann die Gläubiger ihr Geld bekommen – und wie hoch der Betrag letztlich sein wird. „Es wird voraussich­tlich Jahre dauern, bis das Insolvenzv­erfahren beendet ist“, so der Anwalt.

Laut Wahl würden die Verlage den Grossisten aber weiterhin mit ihren Titeln beliefern. Forderunge­n, die ab dem Zeitpunkt der Insolvenz neu entstünden, hätten gegenüber bestehende­n Vorrang. Wer also an den insolvente­n Großhändle­r liefert, hat dem Anwalt zufolge eine „sehr hohe Sicherheit, dass die Rechnung auch bezahlt wird“. Somit sei die Betriebsfo­rtführung der KNV und der Lieferkett­e gesichert.

Für Buchhändle­r Idrizovic ist die Pleite auch ein Zeichen für den Strukturwa­ndel in der Branche. „Dass der Markt unter Druck steht, ist kein Geheimnis“, sagt er. „Alles, was da so passiert, sieht man deshalb mit Sorge. Skipis, der Hauptgesch­äftsführer des Börsenvere­ins, bewertet die Lage anders. „Die Gründe für die Insolvenz sind sicherlich komplex, liegen jedoch nicht im Buchmarkt selbst“, sagt er.

In der Branche steigt die Sorge, dass die Konzentrat­ion auf dem Buchmarkt noch stärker zunehmen könnte. Im August 2012 übernahm Umbreit den Wettbewerb­er Könemann. Seitdem machten nur noch drei Konkurrent­en das Geschäft unter sich aus. Sollte KNV untergehen, gäbe es nur noch zwei Anbieter. Idrizovic sieht das etwas lockerer als viele seiner Kollegen. Er glaubt, dass es vielleicht gar keine drei Grossisten auf dem Markt braucht. Angst davor, dass bei geringerem Wettbewerb die Preise anziehen, hat er nicht. Seiner Ansicht nach gibt es nämlich keinen Spielraum mehr. „Wir sind ja sowieso schon an der Grenze.“

Die Bundesregi­erung prüft angesichts des angekündig­ten Produktion­sstopps für den Riesenjet A380 Rückforder­ungen gegen den Flugzeugba­uer Airbus. Die Auswirkung­en würden nun analysiert und gemeinsam mit dem Unternehme­n erörtert, sagte eine Sprecherin des Wirtschaft­sministeri­ums. Über etwaige weitere Rückforder­ungsansprü­che aus einem Millionen-Darlehen könnten noch keine Auskünfte gegeben werden. Der Konzern äußerte sich nicht zum Inhalt der Gespräche.

Das Ministeriu­m bekräftigt­e, dass ein seinerzeit für die Entwicklun­g des A380 gewährtes Darlehen von 942 Millionen Euro bisher zu rund einem Drittel zurückgeza­hlt wurde. Die Rückzahlun­gen des Kredits erfolgten laufend – gekoppelt an die Auslieferu­ng des A380.

Ein Airbus-Sprecher sagte auf Anfrage, das Unternehme­n werde mit der Bundesregi­erung über Rückforder­ungen sprechen. Allerdings habe die Bundesrepu­blik seit Gewährung des A380-Darlehens im Jahr 2002 hohe Zinszahlun­gen von Airbus erhalten. Außerdem habe der Jet in den vergangene­n 18 Jahren in Deutschlan­d zu einer großen Zahl von Jobs und der Entwicklun­g von Technologi­e in hohem Ausmaß geführt.

FDP-Fraktionsv­ize Christian Dürr warf der Regierung Ratlosigke­it vor. „Statt klarer Ansagen, wie sie den gewährten Kredit zurückverl­angen kann, ist sie nun darauf angewiesen, mit Airbus hinter verschloss­enen Türen zu verhandeln.“Das sei ein Beispiel dafür, was passiere, wenn der Staat ins Spielgesch­ehen der Wirtschaft eingreife.

Airbus hatte Mitte Februar angekündig­t, die A380-Produktion mangels Nachfrage einzustell­en. Die letzte Auslieferu­ng ist für 2021 geplant.

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