Augsburger Allgemeine (Land West)
Volvo will Autos auf Tempo 180 drosseln
Autos von Volvo sollen künftig nicht schneller als 180 Kilometer pro Stunde fahren können. Das soll für Modelle gelten, die von 2020 an hergestellt werden und damit im Rahmen des Firmenkonzepts „Vision 2020“den Straßenverkehr sicherer machen, wie der schwedische Autobauer mitteilte. Ein Tempolimit sei zwar kein Allheilmittel, sagte Volvo-Chef Håkan Samuelsson. Wenn dadurch aber auch nur ein Menschenleben gerettet werden könne, lohne sich der Schritt. Volvo Cars wolle einen Meinungsaustausch darüber in Gang bringen, ob Autobauer das Recht oder sogar die Pflicht hätten, mit der Technik in den Autos das Verhalten ihrer Fahrer zu verändern.
Der 53-Jährige steuert seinen VW-Passat auf der Schweizer Autobahn A3 Richtung Zürich. Es ist vier Uhr morgens. Schneetreiben. Wie aus dem Nichts tauchen zwei Pferde auf. Das Auto kracht in die Tiere. Der Lenker stirbt, die Pferde auch. Sie waren aus dem Stall ausgerissen. Der Unfall Anfang Februar 2019 schreckte viele Schweizer auf, weil er zeigte: Tödliche Risiken lauern jederzeit auf der Straße.
Insgesamt ist es in den vergangenen Jahrzehnten aber immer sicherer geworden auf den Schweizer Straßen. Kamen 1970 – als es wesentlich weniger Fahrzeuge gab als heute – noch rund 1750 Menschen im Straßenverkehr ums Leben, waren es zur Jahrtausendwende noch etwa 600, 2017 schließlich nur noch 230. Im ersten Halbjahr 2018 sank die Zahl der Toten auf 100. Das sei der zweittiefste Stand seit Bestehen der Statistik, heißt es aus dem Bundesamt für Straßen. Auch im internationalen Vergleich landen die Schweizer bei der Verkehrssicherheit auf den vorderen Plätzen. In wo ungefähr zehn Mal so viele Einwohner leben wie in der Schweiz, starben im Jahr 2017 exakt 3180 Menschen im Straßenverkehr.
Wie haben die Schweizer die Gefahren auf ihren Straßen zurückgedrängt? Zum einen durch die gute Infrastruktur. „Aufgrund ihres Wohlstandes hat die Schweiz gegenüber anderen Ländern gewisse Vorteile“, erläutert Roland Allenbach, Leiter Forschung der Beratungsstelle für Unfallverhütung in Bern. Die Straßen zwischen Bodensee und Genfer See seien allgemein in einem „sehr guten Zustand“, die Fahrzeuge seien neuer und damit oft sicherer als diejenigen jenseits der Grenzen.
Außerdem ahndet die Schweiz das Schnellfahren rigoros. Das Bußgeld kann sechsstellige Beträge erreichen. So berichteten Schweizer Medien von einer Strafzahlung von umgerechnet 264000 Euro, die ein Gericht in St. Gallen gegen einen Millionär und Verkehrsrowdy verhängt hatte. Er war unter anderem innerorts mit 90 Stundenkilometern geblitzt worden.
Damit liegt er deutlich über dem Tempolimit. Innerorts gelten Höchstgeschwindigkeiten von 50 Stundenkilometern, außerhalb der Orte von 80 und auf Autobahnen von 120 Stundenkilometern. Auf etlichen riskanten Asphalt-Abschnitten sind deutlich geringere Höchstgeschwindigkeiten vorgeschrieben.
Und die Schweizer verfolgen Verkehrssünder äußerst strikt. Ins Strafregister wird bereits eingetragen, wer im Ort 25 Stundenkilometer zu schnell fährt. Außerorts sind es 30 und auf Autobahnen 35 StunDeutschland, denkilometer. Wer erwischt wird, muss den Führerschein für mindestens drei Monate abgeben.
„Via sicura“, zu Deutsch: sichere Straße, heißt das Maßnahmenpaket zur Verkehrssicherheit, das seit 2012 nach und nach umgesetzt wird. Wer rast, waghalsig überholt oder bei einem nicht bewilligten Rennen mitmacht, muss mit einer Freiheitsstrafe von bis zu vier Jahren rechnen, das Fahrzeug kann eingezogen werden. Als Raser gilt, wer mit exzessivem Tempo unterwegs ist, etwa innerorts mit mehr als 100 Stundenkilometern.
Auch kennen Polizei und Justiz kein Pardon, wenn ein Fahrer zu viel trinkt. Der Grenzwert für Blutalkohol liegt bei 0,5 Promille. Busfahrer und alle anderen, die hauptberuflich am Steuer sitzen, dürfen überhaupt nicht unter Alkoholeinfluss stehen. Wer angetrunken ertappt wird, muss mit saftigen Geldbußen und -strafen rechnen und kann bis zu drei Jahre im Gefängnis landen.
Alle Autos und Motorräder müssen tagsüber mit Licht fahren. Außerdem gilt die Ausbildung in den Schweizer Fahrschulen als vorbildlich und Senioren über 75 Jahren müssen alle zwei Jahre zur verkehrsmedizinischen Kontrolluntersuchung. Letztlich dürfte sich das Fehlen einer eigenen helvetischen Kraftfahrzeug-Industrie auswirken: Ohne mächtige Konzerne verfügt die Autolobby in der Schweiz nicht über die Durchschlagskraft wie die Lobby in Deutschland. Gegen die Tempolimits, zumal auf den Autobahnen, regt sich in der Schweiz kein Widerstand.