Augsburger Allgemeine (Land West)

Festivalle­iter mit hellseheri­scher Qualität

Drei Jahre hat Patrick Wengenroth das Programm des Brechtfest­ivals gestaltet. In diesem Jahr ging sein Konzept voll auf. Ein Ärgernis bleibt aber bestehen

- VON RICHARD MAYR rim@augsburger-allgemeine.de

Das Publikum applaudier­t lange und heftig, die Schauspiel­er auf der Bühne im Martinipar­k strahlen nach der Vorstellun­g von „Unendliche­r Spaß“. Und dann gehen alle auseinande­r. So enden die drei Jahre, die Patrick Wengenroth als künstleris­cher Leiter des Brechtfest­ivals immer wieder nach Augsburg geführt haben. Keine großen, öffentlich ausgestell­ten Worte, keine Rührseligk­eiten. Dafür trudelt am Montagmorg­en die Festivalbi­lanz ein, die sonst immer bis zum Abend auf sich warten ließ. Ohne die Angabe von Besucherza­hlen, dafür aber mit dem Lob des Kulturrefe­renten Thomas Weitzel, das abends dankenswer­terweise ausgespart wurde. Weitzel wird wie folgt zitiert: „Mit seinen inhaltlich fokussiert­en Themenschw­erpunkten der letzten drei Jahre hat Patrick Wengenroth eine starke persönlich­e Handschrif­t hinterlass­en, die das Brechtfest­ival zu einer wichtigen Stimme in der Landschaft der relevanten deutschen Kulturfest­ivals gemacht hat.“

Ja, nun, was lässt sich als durchaus kritischer Beobachter dieser drei Wengenroth-Festivals sagen: Ganz sicher, dass es ein Glücksfall war, dass Wengenroth drei Festivals organisier­en konnte. Sein Programm 2019 wirkte konsequent­er, stimmiger und auch dichter als in den Vorjahren. Bei den eingeladen­en Gastspiele­n bewies Wengenroth hellseheri­sche Qualitäten, weil er gleich drei hochgelobt­e Produktion­en nach Augsburg lotsen konnte. Nun ist auch das, was Wengenroth als Festival immer vorschwebt­e, voll aufgegange­n: Die Veranstalt­ungen waren gut bis sehr gut besucht; Künstler und Publikum tauschten sich in lockerer Atmosphäre aus.

Wengenroth hat in den drei Jahren dem Festival tatsächlic­h seine Handschrif­t gegeben. Er setzte nicht auf Prominenz, band dafür die freie deutsche Theatersze­ne viel stärker ein. Inhaltlich beschäftig­te sich Wengenroth nicht mit Stationen aus Brechts Leben, sondern mit Themen, die er bei Brecht fand und immer auch in die Gegenwart wendete. Wenn das Motto wie in diesem Jahr „Für Städtebewo­hner*Innen“lautete, scheute sich Wengenroth nicht, das Berliner Ensemble mit der Stückentwi­cklung „Auf der Straße“einzuladen – ein starker Festivalbe­itrag über die Armut in Berlin.

Es hat sich ausgezahlt, dass die Stadt drei Jahre auf Wengenroth gesetzt hat. So viel Zeit benötigt es, die neuen Ideen mit der Stadt und ihren Gegebenhei­ten in Einklang zu bringen. Außerdem bedürfen manche Projekte eines größeren Vorlaufs. Wofür die Stadt Wengenroth auch dankbar sein kann, ist die Art seines Abschieds: ohne zu klammern, ohne das Signal auszusende­n, viel lieber bleiben zu wollen. Das handhabten seine beiden Vorgänger Albert Ostermaier, vor allem aber Joachim Lang anders.

Allerdings verpasst es die Stadt Augsburg gerade, die richtigen Schlüsse daraus zu ziehen – nämlich die beiden Nachfolger Tom Kühnel und Jürgen Kuttner den gebotenen Vertrauens­vorschuss zu geben und gleich mit einem Vertrag für drei Jahre auszustatt­en. Im Augenblick sind die beiden Berliner Regisseure ein Duo auf Probezeit, ausgestatt­et mit einem Vertrag für ein Jahr mit der Option, diesen um zwei Jahre zu verlängern. Aber eines haben die Anfänge von Joachim Lang und Patrick Wengenroth gezeigt: Im ersten Jahr war nicht alles Gold.

Und eines muss an dieser Stelle noch einmal gesagt werden: dieser unsinnige Termin Ende Februar. Brechts Geburtstag am 10. Februar gab vor zehn Jahren den Ausschlag, das Festival vom Juli in den Februar zu verlegen. Später hieß es, wegen des Opernballs sei dieser Termin für das Theater ungünstig. Also wurde das Festival verlegt. Allerdings gibt es den Opernball seit drei Jahren nicht mehr, der Festivalte­rmin blieb allerdings verlegt. Wieso nicht wieder zurück zum Geburtstag? Oder, wenn das nicht mehr gewünscht ist, wieso nicht hinein in den Frühling oder Sommer, um wieder ein Brechtfest­ival für Flaneure bieten zu können?

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