Augsburger Allgemeine (Land West)
Der Mann mit dem Büstenhalter
Regisseur Veit Helmer erzählt im Thalia „Vom Lokführer, der die Liebe suchte“und von den Schwierigkeiten beim Dreh in Aserbaidschan
Ein Film ohne Dialoge – funktioniert das? Der mit Preisen hochdekorierte Regisseur Veit Helmer („Tuvalu“, „Absurdistan“) beweist erneut, dass die filmischen Mittel allein genügen, um eine spannende Geschichte zu erzählen. In seinem neuen Film „Vom Lokführer, der die Liebe suchte…“, den Helmer jetzt im ausverkauften Thalia-Kinosaal präsentierte, lässt er allein die „visuelle Dramaturgie“sprechen. Er fand sie in der dicht besiedelten Hauptstadt Baku in Aserbaidschan, wo die Wohnhäuser direkt ans Gleis gebaut sind, das als Straße und Spielplatz dient. Ewig lange Güterzüge fahren hier durch.
Freilich: Nur die Hälfte seines Films konnte er in Baku drehen und musste dabei immer Katz und Maus mit der Polizei spielen, die sie mit Argusaugen überwachte. Bis das autoritäre Regime der Ex-Sowjetrepublik die Crew endgültig rausschmiss und Helmer ins benachbarte „filmfreundliche“Georgien auswich. Im Kasten hatte er zu dem Zeitpunkt bereits die entscheidenden Szenen, wenn die riesige Lok sich durch das Viertel namens Shanghai pflügt – das kurz darauf abgerissen wurde – und manche Wäscheleine, die übers Gleis gespannt ist, nicht rechtzeitig geleert wurde.
So kommt der wettergegerbte alte Lokführer Nurlan an den Büstenhalter, dessen Besitzerin er ausfindig machen will. Also bricht er auf zu einer abenteuerlichen Entdeckungsreise im Labyrinth der Wohnhöfe – er, der einsam außerhalb bei einem Bergdorf wohnt und beim Versuch einer Brautwerbung kläglich abblitzt. Helmer drehte diesen Teil in Khinalig, Europas höchstem Dorf. Allein das Making-of während der 55 Drehtage sei sehenswert, erzählte Helmer im Thalia.
Ein achtjähriger Bub war der einzige Darsteller, den Veit Helmer direkt in Aserbaidschan gecastet hat. Sonst stellte er sich eine hochkarätige, internationale Besetzung zusammen, allen voran der Serbe Miki Manojlovic („der Mann mit dem engelsgleichen Blick“) als Lokführer, der mit Emir Kusturica arbeitete und in „Irina Palm“neben Marianne Faithfull spielte. Mit ihm harmonisieren Helmers „Lieblingsschauspielerinnen“– die Spanierin Paz Vega, die Rumänin Maia Morgenstern und die Russin Chulpan Khamatova. Sie alle mussten den Regisseur überzeugen bei der Aufgabe: Du bist eine Hausfrau, kochst gerade und dann klingelt an der Tür ein Mann und hält dir einen BH zur Anprobe hin. So erhielt Helmer ganz unterschiedliche Charaktere und Auflösungen dieser Szene, die den Film weithin trägt, ohne dass sie irgendwo schlüpfrig wird.