Augsburger Allgemeine (Land West)
Schöne neue Räume – bloß nicht?
Mit einer Anekdote aus der eignen Studentenzeit fängt das jetzt an: Frankfurt 1999, die Geisteswissenschaften der GoetheUniversität sollen von dem ziemlich abgewrackten Campus an der Bockenheimer Warte umziehen in das IG-Farben-Haus, erst Firmensitz für das Chemie-Weltunternehmen mit unrühmlicher Geschichte in der Nazi-Zeit (Zyklon B), dann Hauptquartier der US-Streitkräfte in Europa und nun bald Universität. Ein Wahnsinnsgebäude, von Hans Poelzig entworfen, 1930/31 fertiggestellt – ein Schmuckstück.
Statt diese neuen Aussichten mit einem großen Hurra zu begrüßen, versuchte sich der Fachbereich Germanistik damals gegen den drohenden Umzug zu wehren, obwohl die eigenen Räume am Campus an der Bockenheimer Warte langsam Ruinen glichen: kaputte Jalousien, unsägliche Toiletten und überall der Siff von 40 Jahren universitärem Lehrbetrieb. Der Protest war aber erfolglos, die Geisteswissenschaften zogen um, die Germanisten mussten mit und waren wie alle anderen auch vom ersten Tag an begeistert, fortan in einem generalsanierten architektonischen Juwel eine Heimat zu haben – dazu bekam die Germanisten-Bibliothek auch noch die schönsten Räume, zweistöckig mit Galerie.
Und komisch. In dieser Woche fiel mir das alles wieder ein, als bei uns zu lesen war, wie die ersten Reaktionen der Künstler ausfielen, die nun frisch auf dem GaswerkAreal ein neues Atelier bezogen haben: euphorisch und begeistert ob des neuen Orts. Im Ohr hatte ich beim Lesen nämlich auch noch die Diskussion und die Aktionen, damit der alte Standort am Kulturpark West erhalten bleibt. Diese Räume dort, alte, in die Jahre gekommene Kasernengebäude an der Sommestraße, ähneln irgendwie dem in die Jahre gekommenen Kramer-Bau in der Gräfstraße in Frankfurt verdächtig, an dem die Germanisten so sehr hingen. Wer weiß, vielleicht ist in ein oder zwei Jahren hier in Augsburg auch vergessen, dass es je diesen Protest gab. Denn rein architektonisch spricht wenig für die alten Kasernengebäude in der Sommestraße.
*** „Intermezzo“ist unsere KulturKolumne, in der Redakteure der Kultur- und Journal-Redaktion schreiben, was ihnen die Woche über aufgefallen ist.