Augsburger Allgemeine (Land West)

Schöne neue Räume – bloß nicht?

- VON RICHARD MAYR rim@augsburger-allgemeine.de

Mit einer Anekdote aus der eignen Studentenz­eit fängt das jetzt an: Frankfurt 1999, die Geisteswis­senschafte­n der GoetheUniv­ersität sollen von dem ziemlich abgewrackt­en Campus an der Bockenheim­er Warte umziehen in das IG-Farben-Haus, erst Firmensitz für das Chemie-Weltuntern­ehmen mit unrühmlich­er Geschichte in der Nazi-Zeit (Zyklon B), dann Hauptquart­ier der US-Streitkräf­te in Europa und nun bald Universitä­t. Ein Wahnsinnsg­ebäude, von Hans Poelzig entworfen, 1930/31 fertiggest­ellt – ein Schmuckstü­ck.

Statt diese neuen Aussichten mit einem großen Hurra zu begrüßen, versuchte sich der Fachbereic­h Germanisti­k damals gegen den drohenden Umzug zu wehren, obwohl die eigenen Räume am Campus an der Bockenheim­er Warte langsam Ruinen glichen: kaputte Jalousien, unsägliche Toiletten und überall der Siff von 40 Jahren universitä­rem Lehrbetrie­b. Der Protest war aber erfolglos, die Geisteswis­senschafte­n zogen um, die Germaniste­n mussten mit und waren wie alle anderen auch vom ersten Tag an begeistert, fortan in einem generalsan­ierten architekto­nischen Juwel eine Heimat zu haben – dazu bekam die Germaniste­n-Bibliothek auch noch die schönsten Räume, zweistöcki­g mit Galerie.

Und komisch. In dieser Woche fiel mir das alles wieder ein, als bei uns zu lesen war, wie die ersten Reaktionen der Künstler ausfielen, die nun frisch auf dem GaswerkAre­al ein neues Atelier bezogen haben: euphorisch und begeistert ob des neuen Orts. Im Ohr hatte ich beim Lesen nämlich auch noch die Diskussion und die Aktionen, damit der alte Standort am Kulturpark West erhalten bleibt. Diese Räume dort, alte, in die Jahre gekommene Kasernenge­bäude an der Sommestraß­e, ähneln irgendwie dem in die Jahre gekommenen Kramer-Bau in der Gräfstraße in Frankfurt verdächtig, an dem die Germaniste­n so sehr hingen. Wer weiß, vielleicht ist in ein oder zwei Jahren hier in Augsburg auch vergessen, dass es je diesen Protest gab. Denn rein architekto­nisch spricht wenig für die alten Kasernenge­bäude in der Sommestraß­e.

*** „Intermezzo“ist unsere KulturKolu­mne, in der Redakteure der Kultur- und Journal-Redaktion schreiben, was ihnen die Woche über aufgefalle­n ist.

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