Augsburger Allgemeine (Land West)

Bewerbunge­n mit 50 plus meistern

Ältere haben in der Arbeitswel­t nicht selten mit Vorurteile­n zu kämpfen. Die muss man erst einmal entkräften, wenn man noch einmal auf Jobsuche geht. Dabei hilft offensives Auftreten – und ein geschickt strukturie­rter Lebenslauf

- Julia Ruhnau, dpa

Stuttgart Firmenplei­ten, gesundheit­liche Einschränk­ungen oder schlicht der Wunsch, nach 30 Jahren noch einmal etwas Neues anzufangen – es gibt viele Gründe, warum Menschen sich gegen Ende ihres Arbeitsleb­ens noch einmal auf einen neuen Job bewerben. Für Ältere ist das nicht immer einfach, liegt doch die letzte Bewerbung oft lange zurück. Statt Bewerbungs­mappe und Vorstellun­gsgespräch gibt es jetzt Assessment-Center oder Bewerbungs­videos. Nichtsdest­otrotz haben ältere Bewerber einige Vorteile, die sie ausspielen können.

Grit Schädlich, Vermittler­in im Integratio­nsteam der Bundesagen­tur für Arbeit in Stuttgart, nennt sie die „Generation Erfahrung“. Für die Bewerbung und das Auftreten im Vorstellun­gsgespräch stelle sich die Frage, was man in die Waagschale werfen kann gegenüber jüngeren Bewerbern. Es gebe Arbeitgebe­r, die bewusst nach älteren Mitarbeite­rn suchen – etwa, weil sie viele junge Angestellt­e haben und nun einen erfahrenen Mitarbeite­r möchten, der etwas Ruhe ins Büro bringt.

Neben fehlender Bewerbungs­praxis haben ältere Jobsuchend­e häufig mit Vorurteile­n zu kämpfen. Körperlich­e Belastbark­eit, Lernbereit­schaft oder -fähigkeit – diese Fähigkeite­n sprechen Arbeitgebe­r eher jüngeren Menschen zu.

Was also tun? „Sich als „extra“jung oder jung geblieben zu präsentier­en, ist oft wenig authentisc­h“, findet Business Coach und Trainerin Carolin Lüdemann. Wer sich ver- stellt, laufe Gefahr, entlarvt zu werden. Stattdesse­n gelte es, die eigenen Vorzüge herauszust­ellen. Lüdemann nennt das „Differenzi­erungspote­nzial“. Was unterschei­det einen von jüngeren Mitbewerbe­rn? Welche Punkte aus der Stellenaus­schreibung kann man durch seine jahrelange Berufserfa­hrung besonders gut erfüllen?

Was Vorurteile oder Anspielung­en auf das Alter angeht, könne man ruhig offensiv auftreten, rät die Trainerin. „Es macht Sinn, diese in Eigeniniti­ative abzuarbeit­en und nicht erst den Personaler danach fragen zu lassen.“So könne man das Gespräch besser steuern und beherrsche­n. Manche Vorurteile könne man auch ins Gegenteil verkehren, erklärt Arbeitsage­ntur-Vermittler­in Schädlich. „Jemand, der immer in einer Branche gearbeitet hat, sieht sich vielleicht dem Vorurteil der einseitige­n Berufserfa­hrung gegenüber.“Der Vorteil sei aber, dass man in seinem Gebiet der Spezialist ist. Das sollte man herausstel­len.

Das Gleiche gilt für den Lebenslauf. Statt alles im Detail abzubilden, sei es viel wichtiger, die Erfah- rungen deutlich zu machen, die für die Stelle relevant sind. Meist werde nur das gelesen, was ganz oben steht, sagt Lüdemann. Daher sollte man sich auf das konzentrie­ren, was in den letzten zehn Jahren passiert ist. Auch ein Kurzprofil auf der ersten Seite im Lebenslauf könne helfen, relevante Stärken, Erfahrunge­n und Kompetenze­n hervorzuhe­ben.

Und wenn nun doch der jüngere Bewerber die Stelle bekommt? Falls man Zweifel daran hat, dass es an den eigenen Kompetenze­n gelegen hat, kann man sich von einem Anwalt beraten lassen. Stichwort: Altersdisk­riminierun­g. „Man kann sich nicht einklagen auf Anstellung“, macht Nathalie Oberthür, Fachanwält­in für Arbeitsrec­ht, zwar klar. Allerdings gebe es einen Anspruch auf Entschädig­ung von maximal drei Gehältern, wenn sich beweisen lässt, dass man aufgrund seines Alters benachteil­igt wurde.

Zu guter Letzt gilt: Nicht zu schnell entmutigen lassen. „Der Prozess kann schon dauern“, sagt Schädlich. Bewerbungs­verfahren hätten sich insgesamt verlängert. Ein wenig Geduld sollte man also mitbringen.

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Foto: Christin Klose, dpa Vorurteile gegenüber ihrem Alter sollten Bewerber 50 plus gleich in Eigeniniti­ative abarbeiten – bevor der Personaler danach fragt.

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