Augsburger Allgemeine (Land West)

Statt von Flugtaxis zu träumen, sollten wir die Bahn retten

Fliegende Autos werden noch lange ein Nischenpro­dukt vor allem für riesige Städte bleiben. Die irdischen Verkehrspr­obleme müssen dagegen schnell gelöst werden

- VON STEFAN STAHL sts@augsburger-allgemeine.de

Das ist schon absurd: In einem Land, das seine technologi­schen Hausaufgab­en zum Teil mangelhaft erledigt, wird von Politikern, Unternehme­rn und Wissenscha­ftlern der Eindruck erweckt, in einigen Jahren seien autonom verkehrend­e Flugtaxis ein Teil der Lösung unserer Verkehrspr­obleme. Einer Nation, in der die Bahn einen jämmerlich­en Eindruck macht und Autobahnen wie die A8 zwischen München und Stuttgart in Lkw-Massen ertrinken, suggeriere­n Werbebrosc­hüren und Filmchen, unsere Stau-Gesellscha­ft könnte auch dank HimmelsDro­schken genesen. Selbst Digitalmin­isterin Dorothee Bär ist dem Reiz der technisch zugegeben interessan­ten Flugobjekt­e erlegen.

Das alles entbehrt nicht einer gewissen Komik, gleicht Deutschlan­d doch in einigen Regionen, was schnelles Internet betrifft, einem Entwicklun­gsland. Und was soll also ein Bahnfahrer, der wieder erleben muss, wie sein Zug zu spät ankommt und dies seiner Partnerin wegen eines Funklochs nicht mitteilen kann, von den vagen Aussichten auf Flugtaxis halten? Eine fliegende Bahn wird es nicht geben.

Und Himmels-Taxis sind, wenn sie ab etwa 2025 richtig abheben, über längere Zeit ein Fortbewegu­ngsmittel für Megastädte mit mehr als fünf Millionen Einwohnern. In innovative­n Metropolen wie Singapur werden sich Flugtaxis sicher durchsetze­n. In Europa führen die fliegenden Untertasse­n aber wohl noch lange ein Nischendas­ein. Denn die rechtliche­n Voraussetz­ungen für solche Drohnen sind noch lange nicht geklärt.

Gerade in Deutschlan­d mit einer allzeit bereiten klagefreud­igen Wutbürger-Schicht dürfte es schwierig werden, neue LuftfahrtS­traßen durchzuset­zen. Auch wenn die elektrisch angetriebe­nen MiniMaschi­nen angeblich nur akzeptable Brummgeräu­sche von sich geben, werden Menschen, die schon die dritte Startbahn am Münchner Flughafen erfolgreic­h torpediert haben, Mittel und Klagewege finden, um Flugtaxis am Boden zu halten.

Ohnehin lösen die Luft-Transporte­r nicht unsere irdischen Verkehrspr­obleme. Der Schlüssel dazu liegt in Milliarden-Investitio­nen in den öffentlich­en Nahverkehr und endlich einer überzeugen­den Strategie für die Bahn. Der zügellose Individual­verkehr führt jedenfalls in Dauer-Stau-Chaos und Umweltzers­törung. Lufttaxis sind damit nur eine Verlängeru­ng des täglichen Verkehrsin­farkts in die Höhe.

Dennoch wird die Herstellun­g solch kleiner Fluggeräte für einige Firmen ein lukratives Geschäft. Sie müssen dranbleibe­n und die Technologi­e weiterentw­ickeln. Deutschlan­d ist hier mit Start-ups wie Lilium aus Weßling bei München oder Volocopter aus dem baden-württember­gischen Bruchsal gut aufgestell­t. Auch Airbus verfügt über eine vielverspr­echende Technik. Lufttaxis für Megastädte können in Donauwörth Jobs sichern. Autobauer wie Daimler und Audi mischen vorsorglic­h bei dem Thema ebenso mit. Doch der Markt wird sich sortieren. Am Ende bleiben einige Anbieter übrig. Für sie locken gute Geschäfte in Monster-Gebilden wie Los Angeles. Dort gibt es Menschen, die gerne Staus umgehen, zumal die Flüge günstiger sind als Transporte mit dem Helikopter. Dabei werden die City-Mini-Flieger erst dann für breitere Kreise preislich interessan­t – und reifen damit wirklich zum Taxi heran –, wenn sie autonom, also ohne teure Piloten fliegen. Das dürfte aber ängstliche­re Naturen abschrecke­n und auch versicheru­ngsrechtli­che Fragen aufwerfen.

Politiker sollten also ihre Flugtaxi-Euphorie etwas dämpfen und zum Himmel schreiende Verkehrspr­obleme lösen. Wie wäre es, endlich mehr Güterverke­hr auf die Schiene zu bringen? Maximal unsexy, aber auch maximal überfällig.

Wie wäre es mit mehr Güterverke­hr auf der Schiene?

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