Augsburger Allgemeine (Land West)

Der Gutenberg des 21. Jahrhunder­ts Porträt

Kaum jemand kennt Tim Berners-Lee. Dabei gilt der britische Physiker als Vater des World Wide Web. Warum er mit dessen Entwicklun­g unzufriede­n ist

- Markus Bär

Manche Erfinder und Entdecker sind und bleiben weltberühm­t: Nehmen wir Alexander Fleming, der das Antibiotik­um Penicillin entdeckte. Oder Johannes Gutenberg, der als Erfinder des modernen Buchdrucks in die Geschichte einging. Tim BernersLee wurde in den Medien schon als Johannes Gutenberg des 21. Jahrhunder­ts bezeichnet. Tim BernersWer? In der Tat: Kaum jemand kennt den britischen Physiker. Dabei gilt er als Vater des World Wide Web (WWW).

Am 12. März vor 30 Jahren hatte Berners seinem damaligen Arbeitgebe­r, dem europäisch­en Kernforsch­ungszentru­m Cern in Genf, ein Projekt vorgeschla­gen, um Wissenscha­ftlern den weltweiten Austausch von Informatio­nen zu erleichter­n – mittels Hypertext. Das heißt, verkürzt gesagt: Man kann durch Links, wie auf heutigen Internetse­iten, auf andere Inhalte springen. Zudem erfand Berners-Lee die Sprache HTML, mit der Webbrowser bis heute Internetse­iten darstellen. Berners-Lee ist dadurch zwar nicht Erfinder des Internets. Das gab es bereits seit 1969 – als ein Netzwerk, das Großrechne­r verband – zunächst nur in den USA. Aber der Brite schuf die Grundlagen für das WWW in der Form, wie wir es heute täglich nutzen.

Wer ist nun dieser Gutenberg des 21. Jahrhunder­ts? Der seine Ideen nicht patentiert­e, sondern frei weiter gab? Und so zwar eben nicht reich wurde. Aber die rasante Entwicklun­g des Netzes ermöglicht­e. Tim Berners-Lee, geboren am 8. Juni 1955 in London, wurde die Nähe zu Computern quasi in die Wiege gelegt. Seine Eltern waren Mathematik­er, die Ende der 1940er Jahre einen der ersten Computer der Welt, Manchester Mark I, mitentwick­elten. Er studierte Physik in Oxford und war später unter anderem am Cern tätig. Menschen, die dort mit ihm zusammenar­beiteten, bezeichnen ihn als „sehr nett“, aber auch komplizier­t. Sein Verstand arbeite so schnell, dass er Probleme gehabt habe, sich auszudrück­en. Er habe manchmal so viele Dinge auf einmal sagen wollen, dass er zu stottern begann.

Berners-Lee ist es bis heute wichtig, dass sich das Internet frei entwickelt. Diese Denkweise fußt womöglich auch auf seiner unitaristi­schen Weltanscha­uung, einer theologisc­hen Auffassung, die eigenständ­iges Denken über Dogmen stellt, die kirchliche Institutio­nen vorgeben. Mit der heutigen Entwicklun­g des WWW ist Berners-Lee überhaupt nicht zufrieden – weil Internetri­esen wie Google oder Amazon dominieren. Berners-Lee, der in England und Massachuse­tts lehrt, ist übrigens auch Vorsitzend­er des World Wide Web Consortium (kurz W3C) – dem einflussre­ichen Standardis­ierungsgre­mium für das WWW. Und er arbeitet derzeit an einer Modifizier­ung des Netzes, bei dem Daten nicht in Daten-Wolken (Clouds) von Firmen, sondern in – nur privat zugänglich­en – Clouds gespeicher­t werden.

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Foto: afp

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