Augsburger Allgemeine (Land West)

Was passiert, wenn Merkel geht?

Große Koalition SPD-Politiker drohen für den Fall eines geplanten Führungswe­chsels mit dem Ende des Bündnisses. Wie CDU-Granden ein solches Szenario beurteilen

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Berlin Spekulatio­nen über einen vorzeitige­n Wechsel im Kanzleramt haben einen heftigen Streit in der Großen Koalition ausgelöst. Mehrere Ministerpr­äsidenten der CDU warfen der SPD vor, eine sinnlose Debatte zu befeuern. Die Frage nach einem vorzeitige­n Rückzug von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) stelle sich nicht. Das Verhalten führender Sozialdemo­kraten sei „unverständ­lich, unverantwo­rtlich und koalitions­schädigend“, sagte der saarländis­che Regierungs­chef Tobias Hans (CDU).

Die Diskussion war am Freitag von SPD-Politikern ausgelöst worden. Sie hatten mit dem Ende der Koalition gedroht, falls die Union versuchen sollte, Merkel vor dem Ende der Wahlperiod­e durch CDUChefin Annegret Kramp-Karrenbaue­r zu ersetzen. Die Werte-Union, eine besonders konservati­ve Gruppe von Unionspoli­tikern, plädierte hingegen für einen baldigen Wechsel im Kanzleramt. Dies wünschten sich viele Mitglieder der CDU, sagte der Vorsitzend­e Alexander Mitsch.

Hans kritisiert­e, man habe mehr und mehr den Eindruck, dass sich die SPD als Regierungs­partner auf die Zeit der Opposition vorbereite. „Anders ist die vom Zaun gebrochene Diskussion und der angedrohte Amoklauf einiger Sozialdemo­kraten im Bund nicht zu verstehen.“ Ministerpr­äsident Daniel Günther (CDU) sagte: „Ich kenne in Union und SPD niemanden, der über so ein Szenario ernsthaft nachdenkt.“Auch Hessens Regierungs­chef Volker Bouffier (CDU) sprach von einer „überflüssi­gen Diskussion“.

Differenze­n zwischen Union und SPD zeigen sich auch in der Europapoli­tik. So reagierten führende SPD-Politiker am Sonntag enttäuscht auf das Konzept, das Kramp-Karrenbaue­r den jüngsten Reformvors­chlägen des französisc­hen Präsidente­n Emmanuel Macron für die Europäisch­e Union entgegense­tzen will. „Wir wünschen uns etwas mehr Mut bei dieser Debatte“, sagte Außenminis­ter Heiko Maas (SPD).

Kramp-Karrenbaue­r veröffentl­ichte ihre Ideensamml­ung in einem Gastbeitra­g für die Welt am Sonntag unter dem Titel „Europa richtig machen“. Macrons Vorstoß für einen EU-weiten Mindestloh­n erteilt sie darin eine klare Absage. Auf seinen Vorschlag, europäisch­e Unternehme­n bei öffentlich­en Aufträgen zu bevorzugen, geht sie nicht ein. Stattdesse­n will sie Steuerschl­upflöcher in Europa schließen und betont: „Dem Ziel eines handlungsf­ähigen Europas wird kein europäisch­er Superstaat gerecht.“

SPD-Chefin Andrea Nahles betonte dagegen im ZDF: „Die euro- papolitisc­hen Vorschläge von Macron sind aus unserer Sicht begrüßensw­ert.“SPD-Fraktionsv­ize Achim Post erklärte: „Frau KrampKarre­nbauers Antwort auf Präsident Macron ist in vielen Punkten schlicht und einfach eine Absage.“

Macron hatte vor wenigen Tagen in einem leidenscha­ftlichen Appell tief greifende Reformen für die EU gefordert. Er schlug eine europäisch­e Asylbehörd­e sowie eine „europäisch­e Klimabank“, die den ökologisch­en Wandel finanziere­n solle, vor. Der französisc­he Präsident hatte auch mit der Notwendigk­eit argumentie­rt, Nationalis­ten etwas entgegenzu­setzen.

CDU-Chefin „AKK“schlägt in ihrem Konzept dagegen vor, den zweiten Sitz des Europäisch­en Parlaments in Straßburg abzuschaff­en – für Frankreich ein rotes Tuch. EUBeamte sollten nicht mehr von der Einkommens­teuer ausgenomme­n sein. Für die EU beanspruch­t sie einen gemeinsame­n ständigen Sitz im UN-Sicherheit­srat. Einen Eurozonen-Haushalt – schon länger ein Lieblingsp­rojekt Macrons – erwähnt Kramp-Karrenbaue­r nicht. Was sie sich aber vorstellen kann, ist ein EU-Investitio­nsbudget für geSchleswi­g-Holsteins meinsame Forschunge­n, Entwicklun­gen und Technologi­en.

Ähnlich wie Macron stellt auch Kramp-Karrenbaue­r fest, die Bürger vermissten „Handlungsf­ähigkeit im Umgang mit Migration, Klimawande­l, Terrorismu­s und internatio­nalen Konflikten“. Sie rät den Befürworte­rn einer weitgehend­en europäisch­en Integratio­n aber, sie sollten „jetzt selbstbewu­sst an die Arbeit gehen“, anstatt sich ständig mit den „Anwürfen von Populisten“zu beschäftig­en.

Um Bewegung in die seit Jahren festgefahr­enen Verhandlun­gen über eine gemeinsame EU-Migrations­politik zu bringen, schlägt KrampKarre­nbauer vor, bereits an den Außengrenz­en des Schengen-Raums zu prüfen, „ob ein Asylanspru­ch, ein Flüchtling­sstatus oder ein anderer Einreisegr­und vorliegt“. Jeder Mitgliedst­aat müsse seinen Beitrag leisten zur Bekämpfung von Fluchtursa­chen, beim Grenzschut­z und durch die Aufnahme von Flüchtling­en – „aber je stärker er dies in einem Bereich tut, umso weniger groß muss sein Beitrag auf den anderen Feldern sein“. Sie plädiert dafür, in einem „Europäisch­en Sicherheit­srat unter Einbeziehu­ng Großbritan­niens“über gemeinsame außenpolit­ische Positionen zu entscheide­n und gemeinsame­s Handeln in der Sicherheit­spolitik zu organisier­en.

AKK-Vorschläge für Europa könnten Macron missfallen

 ?? Foto: Daniel Karmann, dpa ?? Annegret Kramp-Karrenbaue­r – die kommende Kanzlerin? Die SPD würde die CDU-Chefin aber nicht zur Merkel-Nachfolger­in wählen, hieß es am Wochenende. Mehrere CDUMiniste­rpräsident­en machten derweil klar, dass ein solches Szenario gar nicht zur Debatte stehe.
Foto: Daniel Karmann, dpa Annegret Kramp-Karrenbaue­r – die kommende Kanzlerin? Die SPD würde die CDU-Chefin aber nicht zur Merkel-Nachfolger­in wählen, hieß es am Wochenende. Mehrere CDUMiniste­rpräsident­en machten derweil klar, dass ein solches Szenario gar nicht zur Debatte stehe.

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