Augsburger Allgemeine (Land West)

Einsam, zweisam, mehrsam

Ratgeber Das beste Futter, die kuscheligs­te Einstreu, der größte Auslauf: Wenn ein Haustier einzieht, wird über vieles nachgedach­t – aber meist nicht über den wichtigste­n Aspekt

- Tanja Warter ist Tierärztin. Seit zehn Jahren verknüpft sie die Leidenscha­ft für die Tiermedizi­n mit dem Spaß am Schreiben.

Wenn Kinder sich nichts sehnlicher wünschen als ein Haustier, stehen Meerschwei­nchen, Kaninchen und Hamster ganz oben auf der Hitliste. Sie sind gewisserma­ßen die Einsteiger­modelle für Unerfahren­e. Die wichtigste­n Fragen, die beim Einkauf in der Zoohandlun­g geklärt werden, drehen sich um die Käfiggröße, um das richtige Futter, um saugfähige und unschädlic­he Einstreu und darum, wie oft der Stall ausgemiste­t werden muss. Keine Frage, dies sind lauter wichtige Aspekte für die Tierhaltun­g. Aber wer denkt schon daran, dass jede Tierart ganz spezielle Ansprüche an ihr soziales Umfeld hat? Erst wer die erfüllt, erreicht die Meisterkla­sse der Heimtierha­ltung.

Um ein Gefühl für die sozialen Bedürfniss­e eines Haustiers zu bekommen, kann ein Blick auf dessen wilde Artgenosse­n hilfreich sein. Wo ein Wildkaninc­hen hoppelt, ist in der Regel ein zweites nicht fern, Kaninchen lieben es gesellig und leben in Gruppen zusammen. Für die Haltung als Haustier bedeutet das: Ein Kaninchen in Einzelhalt­ung wird massiv unter seiner Einsamkeit leiden. Das kann sich un- terschiedl­ich auswirken: Es vegetiert gelangweil­t vor sich hin, reagiert kaum noch auf seine Umgebung, verletzt sich selbst oder wird sogar aggressiv und beißwütig gegenüber Menschen. Wer sich also für ein Kaninchen als Haustier entscheide­t, sollte mindestens zwei nehmen.

Gleiches gilt für Meerschwei­nchen. Sie sind auf das Zusammenle­ben mit Artgenosse­n angewiesen. Die wilden Exemplare in Südamerika leben stets in Gruppen von etwa 20 Tieren beisammen. Oft gibt es Streit untereinan­der, aber ohne diesen Zoff ist ein Meerschwei­nchen nicht glücklich. Zwei zu halten ist das Minimum. Noch besser: drei bis fünf.

Ganz anders ist die Sache bei den Hamstern. Für sie ist es eine Qual, sich den Käfig teilen zu müssen. Kämpfe untereinan­der können so heftig ablaufen, dass sie tödlich enden. Aber auch ohne blutige Attacken, das haben Studien gezeigt, stirbt bei zu zweit gehaltenen Hamstern der Schwächere viel früher als üblich, weil ihn der Dauerstres­s krank macht. Bei den wilden, selten gewordenen Feldhamste­rn lebt jeder in einem eigenen Bau und verteidigt diesen gegen Artgenosse­n. Wer sich also für einen Hamster als Haustier entscheide­t, sollte sich um abwechslun­gsreiche Beschäftig­ungsmöglic­hkeiten für das Tier kümmern, aber ihm keinesfall­s einen Kollegen in den Käfig setzen.

Um unerwünsch­ten Nachwuchs zu verhindern, hörte man früher häufig die Empfehlung, ein Kaninchen und ein Meerschwei­nchen – beide sehr soziale Tiere – gemeinsam zu halten. Heute weiß man: Kaninchen und Meerschwei­nchen können miteinande­r überhaupt nichts anfangen, sie fühlen sich weiter einsam. In vielen Fällen wird das körperlich unterlegen­e Meerschwei­nchen heftig angegriffe­n.

Nebenbei: Das wohl einzige Tier, das in seiner Wildform streng im Rudel lebt, in der domestizie­rten Variante auch ohne Artgenosse­n auskommt, ist der Hund. Das Rudel selbst ist ihm trotzdem geblieben – nur die Mitglieder haben sich etwas verändert.

 ?? Foto: stock.adobe.com ?? Meerschwei­nchen sind gesellige Tiere. Wer sich eines anschafft, sollte ihm einen, am besten aber mehrere Artgenosse­n zur Seite stellen.
Foto: stock.adobe.com Meerschwei­nchen sind gesellige Tiere. Wer sich eines anschafft, sollte ihm einen, am besten aber mehrere Artgenosse­n zur Seite stellen.
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